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Monika Platzer: Bewegtes Gespräch

Monika Platzer: Bewegtes Gespräch: Frauenkunst, Schulkunst oder Avantgarde?
10. November 2023 - 18:00
Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
Veranstaltung im Rahmen der Vienna Art Week

Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game
Eine Ausstellung in Kooperation mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich

Die Ausstellung Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game ermittelt Verhältnisse von künstlerischer Praxis und Lehre im 20. Jahrhundert, indem sie zwei Figuren auf besondere Weise in Dialog setzt. Im Zentrum der Zusammenstellung steht das druckgrafische Werk der Schweizer Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004), das im Rahmen einer Kooperation der Angewandten mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich erstmals in Österreich gezeigt wird. Die Wiener Schau erweitert diese monografische Perspektive, indem sie nach der Beziehung von Tschudis Arbeiten zu Beständen aus Kunstsammlung und Archiv fragt, die die Reformpädagogik des in Wien lehrende Künstler Franz Čižek (1865–1946) dokumentieren.
Tschudi und Čižek werden dafür als exemplarische künstlerische Positionen im Europa der Zwischen- und Nachkriegszeit betrachtet, in der sich Aspekte der angewandten und bildenden Kunst sowie von Abstraktion und Figuration gegenseitig durchdringen. Sowohl Tschudis künstlerische Arbeiten als auch Čižeks Pädagogik sind mit der Entwicklung des modernen Farbdrucks ebenso wie mit Reformtendenzen in Gesellschaft und Pädagogik und der Entdeckung der „Kunst der Kinder“ um 1900 verknüpft. Lill Tschudi studierte 1929 an der Londoner Grosvenor School of Modern Art bei dem britischen Künstler Claude Flight (1881–1955) Linolschnitt. Flight integrierte nach einer persönlichen Begegnung mit Čižek dessen Ansätze in den eigenen Unterricht. In der Einleitung seines 1934 erschienenen Buchs The Art and Craft of Lino Cutting and Printing, das er mit Linolschnitten von Kindern und Arbeiten seiner Studierenden gleichermaßen illustrierte, nennt er Čižeks Arbeitsweise als Vorbild für eine vom künstlerischen Tun von Kindern abgeleitete Suche nach Ausdruck und „emotionaler Organisation“. Čižeks Haltung und Arbeitsmethoden in seiner 1903 gegründeten und später in die Wiener Kunstgewerbeschule eingegliederte Jugendkunstklasse gewannen insbesondere im angloamerikanischen Raum früh an Ansehen; in zahlreichen internationalen Wanderausstellungen gingen Arbeiten seiner Schüler:innen auf Tournee. Die Klasse war darauf ausgerichtet, Kinder und Jugendliche in unterschiedlichsten Techniken und Materialien sowie in gemeinsamen Besprechungen selbsttägig die eigene kreativen Entfaltung zu ermöglichen.

Die Ausstellung untersucht den neuen Status der künstlerischen Arbeit von Kindern als eigenständige, vorbildhafte und ausstellungswürdige Praxis und die Funktion vergleichsweise einfacher Techniken wie des Linolschnitts, wie sie in Čižeks und Flights Lehre sowie in Tschudis künstlerischer Praxis etabliert und genutzt wurden, in ihrem Verhältnis zu gesellschaftlichen Transformationen und künstlerischen Neuerungen. Neben der Relevanz publizierter Druckgrafiken für Tschudis Entwicklung – etwa jene von Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978), deren Tierdarstellungen sie vermutlich über die Jugendrotkreuz-Zeitschrift kennenlernt – und dem Kontext der Wiener sozialdemokratischen Bildungsreform interessieren hier mögliche „stilistische Ansteckungen“ (Barbara Wittmann), Verwandtschaften und Übersetzungen, die der institutionellen Umgebung der Jugendkunstklasse geschuldet waren. Das Interesse Čižeks für sogenannte „Volkskunst“ oder die Druckgrafik der Wiener Werkstätte überschnitt sich beispielsweise mit einer von ihm angeregten eklektischen Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Avantgardebewegungen wie dem Futurismus oder dem Kubismus, über die sich die Studierenden seiner Kurse für „Ornamentale Formenlehre“ Problemen von Bewegung, Raum und Zeitlichkeit näherten. Vergleichend wird nach der Rolle des britischen Vortizismus für die Grosvenor School für das Werk Lill Tschudis gefragt, das neben einigen Aquarellen und Gemälden mehr als 450 Linolschnitte umfasst und ebenso von dynamischen Darstellungen großstädtischer Alltagszenen, Sport- und militärische Sujets charakterisiert ist.

In der Ausstellung Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game werden solche personellen, historischen und formalen Bezüge zwischen Lill Tschudis und Franz Čižeks Praktiken mittels spielerischer Schichtungen und Querschnitte lesbar gemacht und in ihrem Verhältnis zu internationalen Formationen und Fragestellungen der Moderne diskutiert.

Die Ausstellung bezieht sich auf die Schau Lill Tschudi. Die Faszination des Linolschnitts, die 2022 an der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen war.

Leitung Kunstsammlung und Archiv: Cosima Rainer
Kuratorisches Team: Stefanie Kitzberger und Robert Müller, in Kooperation mit Alexandra Barcal (Graphische Sammlung ETH Zürich)
Ausstellungsorganisation: Judith Burger, Laura Egger-Karlegger
Gestaltung: Robert Müller
Recherchen und Begleitheft: Laura Egger-Karlegger, Stefanie Kitzberger, Eva Marie Klimpel, Ursula Prokorny, Lian Hannah Walter
Leitung Ausstellungsbüro Universitätsgalerie: Anette Freudenberger

Vortrag
Diskussion
Zeitgenössische Kunst
Theorie
arts (general)
10.11.2023 (Fri)
18:00 -