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Christine Sun Kim | Kresiah Mukwazhi | Jordan Strafer

Christine Sun Kim Cues on Point
Kresiah Mukwazhi Kirawa
Jordan Strafer LOOPHOLE

Eröffnung: Donnerstag, 16. Februar 2023, 19 Uhr

Ausstellungsgespräch: Christine Sun Kim & Bill Dietz
Donnerstag, 16. Februar 2023, 18 Uhr
Das Gespräch ist in englischer Sprache und amerikanischer Gebärdensprache
mit Simultanübersetzung in ÖGS.
Eine Veranstaltung der Freunde der Secession

Christine Sun Kim
Cues on Point

Christine Sun Kims Kunst ist voller Rhythmus und Dynamik. Ob kleinformatige Zeichnungen oder raumfüllende Wandzeichnungen, ob Internet-Memes, Textbotschaften im öffentlichen Raum oder Spruchbanner, die von Flugzeugen über den Himmel gezogen werden: Die Arbeiten sprühen vor Energie und scheinen die Beengung und Beschränkungen ihres Raumes sprengen zu wollen. Ihre Zeichnungen sind grafisch und reduziert und können im Wesentlichen in zwei Kategorien unterteilt werden: Eine verwendet Infografiken, während die andere das formale Repertoire von Comics übernimmt, vor allem Geschwindigkeitslinien zur Vermittlung von Aktion und Reaktion.

Sprache, Sound, Körper, Identität und Diaspora, Übersetzung, Hierarchisierung, Ausschlussprinzipien und gesellschaftliche Normen sind einige der wesentlichen Themen, denen sich die Künstlerin in ihrem formal vielfältigen Werk widmet. In vielen ihrer Arbeiten teilt sie dem Publikum mit, wie es sich anfühlt, von der Mehrheitsgesellschaft der Hörenden strukturell und systematisch ausgeschlossen zu werden; immer den Regeln der anderen ausgesetzt zu sein und sich viele Möglichkeiten erst erkämpfen zu müssen. Kims Kunst ist unverkennbar politisch: Ihr zentrales Anliegen ist die Forderung nach mehr Sichtbarkeit für Taube und eine breitere Anerkennung des Zugangs für Menschen mit Behinderung im Allgemeinen.

Die Gebärdensprache ist ein konstantes formales und ästhetisches wie inhaltliches Thema. In den Arbeiten der letzten Jahre hat Kim zunehmend eine Verbindung zwischen Notationssystemen, wie sie in Musik und Tanz verwendet werden, und ihrer eigenen grafischen Darstellung von Gebärdensprache hergestellt. In ihren Arbeiten und LecturePerformances erforscht die Künstlerin geschickt die grundlegenden Strukturen der amerikanischen Gebärdensprache und zelebriert ihre inhärente Schönheit und ihre kraftvolle Rolle als Teil Tauber Identität.

Neben den ästhetischen Aspekten anderer als auditiver Kommunikationsformen legt Kim den Fokus auf Übersetzungsprozesse und all ihre Facetten. Ihre Praxis umfasst mehrere Sprachen, wobei sie Konvergenz- und Divergenzpunkte zwischen ASL und Englisch aufspürt und sich oft mit beiden gleichzeitig beschäftigt. Sprache – gesprochene wie gebärdete, geschriebene wie gesungene – ist nie starr und unveränderlich, sondern fluide und ständig im Wandel.

Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Bettina Spörr

Kresiah Mukwazhi
Kirawa

Die in Zimbabwe und Südafrika ausgebildete Fotografin und bildende Künstlerin Kresiah Mukwazhi arbeitet mit verschiedenen Medien, darunter Mixed-Media-Collage, Skulptur, Performance und Video. Ihre in lebhaften Farben gehaltenen Textilarbeiten, die an große Quilts erinnern, werden üblicherweise lose an die Galeriewände gehängt oder schweben ‒ von der Decke abgehängt ‒ frei im Raum, was ihre Plastizität noch zusätzlich unterstreicht. Mukwazhi kombiniert Materialien wie Leinwand, Satin oder Petticoats, die sie zusammennäht oder -klebt und mit Applikationen wie zum Beispiel Pailletten bestückt. Auf diesem Grund treten mit Acryl- und Stofffarben gemalte Frauenfiguren hervor, die scheinbar vulgäre und obszöne Posen einnehmen, was auf die Untersuchungen der Künstlerin über die beschwerlichen Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiterinnen in der patriarchalen Gesellschaft ihres Heimatlandes Zimbabwe verweist. Da Prostitution oft als letzter Ausweg bleibt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, sind diese Frauen zusätzlicher Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt.

Vor diesem Hintergrund von Prekarisierung und Marginalisierung schälen sich aus Mukwazhis Arbeit Formen des Widerstands und der Selbstermächtigung heraus. „Power or poverty?“ [Macht oder Armut?] lautet es in einer ihrer Collagen, womit die Künstlerin auch ihr Interesse an Mukando (dt.: „hineinwerfen“ oder „zusammenlegen“), einem von Sexarbeiterinnen entwickelten alternativen Wirtschaftsmodell, bekundet. Die Mukando-Kooperativen, die sich um einen gemeinschaftlichen Topf gebildet haben, helfen ihren Mitgliedern, sich gegenseitig zu unterstützen und eine Form der Selbstorganisation zu etablieren, die den Zusammenhalt in den mittellosen Gemeinschaften festigt und zur Gleichstellung der Geschlechter führt. Gegenseitige Unterstützung und Empowerment sowie Humor als Waffe und Mittel des Widerstands sind wiederkehrende Themen in den Arbeiten der Künstlerin. Sie zeigen Mukwazhis ausgeprägtes Gespür für Textualität und Farbe, stellen das Traumatische neben das Humorvolle. Solche Dissonanzen zuzulassen machen aber auch die Stärke dieses Werks aus.

Die Ausstellung von Kresiah Mukwazhi ist eine Zusammenarbeit zwischen der Secession und Nottingham Contemporary, wo diese von 27. Mai bis 3. September 2023 zu sehen sein wird.

Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Jeanette Pacher

Jordan Strafer
LOOPHOLE

Jordan Strafer ist eine in Brooklyn (New York) lebende Künstlerin, die vorwiegend mit Video arbeitet. Ihre Auseinandersetzungen gehen meist von ihr selbst und Geschichten aus ihrer Familie aus, verweisen aber gleichzeitig auf eine Welt, in der sich die komplexe Natur von ethnischer Identität, Geschlecht, Sexualität, Klasse und ‚Amerikanismus‘ widerspiegelt. Ein zentraler Aspekt ihres künstlerischen Schaffens ergibt sich aus der sorgfältigen, dennoch spielerischen Choreografie von eigentlich konträren Emotionen. In ungewohnter Dichte schafft sie zugleich humorvolle und tragische, intime und sachliche, vertraute und ungewohnte, abstoßende und anziehende Situationen. Ausgehend von wahren Geschichten macht sie sichtbar, dass Realitäten selten dualistisch sind.

In ihren jüngeren Arbeiten tritt die Künstlerin immer weniger selbst als Darstellerin auf. Maskenbild, Kulisse und Requisiten kommt neben den Protagonist*innen eine eigenständige Rolle zu. Die wiederkehrende Verwendung von stilistischen Mitteln wie selbstgemachten Puppen, Masken, Gesichtsbemalung, Miniaturdarstellungen oder Attrappen betont die künstliche Beschaffenheit der Szene. Die oft absurd wirkenden Situationen lenken den Blick von der Handlung auf unsere Wahrnehmung um und erlauben durch ihre eindeutig inszenierte, verfremdete Form eine kritische Distanz von einer von fragwürdigen Moralvorstellungen und Ungerechtigkeiten geprägten Gesellschaft.

Für ihre Ausstellung in der Secession produziert die Künstlerin einen neuen Kurzfilm, der eine Affäre zwischen einem Strafverteidiger und einer Geschworenen während eines in den 1990er Jahren in den USA vielbeachteten Vergewaltigungsprozesses behandelt. Anstatt den Prozess nachzustellen, konzentriert sich der Film auf die Affäre als potenzielle Bruchstelle im Justizsystem. Strafer stellt den Verlust von jeglicher Struktur und Ordnung dar und zeigt den Machtmissbrauch, die Gier und Korruption auf, die der verhandelten Vergewaltigung zugrunde lagen. Der Film verweist auf das damals sehr beliebte Genre des erotischen Thrillers und stellt die zutiefst ambivalenten Gefühle von Angst und Verlangen gegenüber.

Eine Kooperation von Secession, Wien, Index – The Swedish Contemporary Art Foundation, Stockholm, und KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Berlin.

Programmiert vom Vorstand der Secession
Kuratiert von Christian Lübbert

Eröffnung
Screening
Zeitgenössische Kunst
Video
Bildende Kunst
arts (general)
16.02.2023 (Thu) - 16.04.2023 (Sun)
18:00 -
secession , 1010 Wien