rewind.esel.at
Vortrag Haile Gerima

Aus gesundheitlichen Gründen auf Herbst verschoben

Aus gesundheitlichen Gründen musste das gesamte Programm leider kurzfristig abgesagt werden. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Die neuen Termine werden hier in Kürze bekannt gegeben.

Das Projekt wurde durch die großzügige Unterstützung des Rektorats der Universität für angewandte Kunst Wien ermöglicht in Kooperation mit dem Stadtkino Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien und Vidéodrome2 Marseille.

“Geister der Vergangenheit rufen einander herbei
Von hier und überallher. (…)
Kämpfende der Ethik und Gerechtigkeit, zaudert niemals!“

Der Klang dieser Zeile beschwört den Geist der Freiheit und des Widerstands der äthiopischen Kämpfer*innen in ihrer siegreichen Schlacht gegen die italienische Kolonialinvasion im März 1896. Es ist der Text eines der Lied-Gedichte, die die narrative Struktur von Haile Gerimas Film ADWA. Ein afrikanischer Sieg (1999) bilden.
ADWA ist ein Film der Weitergabe und der Übersetzung – von Erzählungen und Geschichte, von Wissen und seinen Gesten, von Liedern und ihren Tönen. Sie alle werden zwischen Generationen und Orten, zwischen Bildern und Klängen, zwischen Händen und Blicken weitergereicht; auch mehr als hundert Jahre nach der Schlacht um Adwa, wo die Erzählung unterbrochen, aber nicht beendet wurde.

ADWA steht am Beginn dieses Filmprogramms in Wien und Marseille, das dem Werk Haile Gerimas gewidmet ist, einem der herausragendsten und produktivsten Filmschaffenden des afrikanischen Kontinents und der Schwarzen Diaspora.
Gerimas Kino kann als ein Kino der Weitergabe betrachtet werden. Und wie er selbst oft festhält, baut jeder neue Film auf allen vorherigen auf, lernt von ihnen und steht mit ihnen in Verbindung. So ist auch dieses Programm einerseits Rückblick, andererseits Vorausschau auf Gerimas neusten Film Schwarze Löwen und Römische Wölfe, der als Fortsetzung von ADWA die zweite italienische Invasion Äthiopiens durch Mussolinis faschistische Regierung im Jahr 1935 und, infolgedessen, eine weitere Generation des äthiopischen Widerstands dokumentiert. Seit vierzig Jahren arbeitete Gerima an diesem Werk, das unter anderem seinem Vater Tefeka Gerima gewidmet ist, der als Dramatiker, Erzähler und anti-kolonialer und anti-faschistischer Widerstandskämpfer stets Inspiration und Verbündeter in Haile Gerimas Schaffen war. Doch die Veröffentlichung dieses Films verzögerte sich über Jahrzehnte hinweg aufgrund der neokolonialen Archivpolitiken des Istituto Luce Cinecittà, welches die Herausgabe des beantragten Archivbildmaterials, das Haile Gerima zur Fertigstellung des Films benötigte, bis vor wenigen Wochen verweigerte.

Gerimas Filme sind Anlass, über die Strukturen des Erzählens, der Macht, des Widerstands und der Un/Gerechtigkeit im Kino nachzudenken und nicht zuletzt die Forderung der Zugänglichkeit, Rückgabe und Befreiung von Archivmaterial und den darin festgehaltenen „Geistern der Vergangenheit“ neu in Augenschein zu nehmen.

Denn immer wieder hält Gerima fest, dass das Recht Schwarzer Menschen ihre Geschichte/n zu erzählen, dem Recht entspricht atmen zu können und frei von Versklavung und Kolonialismus jeglicher Art zu leben, sei es in altbekannter Form oder als Neokolonialismus, sei es die Plantagensklaverei als weiße Institution oder das, was von George Jackson – einer von Gerimas revolutionären „Filmlehrern“ – kritisch als Neo-Sklaverei bezeichnet wurde. Der Westen steht in der Verantwortung gegenüber seinem Erbe der kolonialen Versklavung, die er in seinem eigenen systematischen Interesse beständig wiederbelebt. Das gilt auch für das Kino.
In jüngster Zeit sind weltweit zahlreiche imperiale Statuen und Denkmäler gestürzt worden und Europas prestigeträchtigste Museen werden für ihre gewaltsame Enteignung von Kunst und Artefakten aus kolonisierten Ländern kritisiert. Der anhaltenden Dominanz von Diskursen weißer Überlegenheit und eurozentrischer Narrative der westlichen Imperien, die die Geschichte/n des trikontinentalen „Globalen Südens“ nach wie vor als Besitzstand in Sammlungen und Archiven verwalten, muss auch im Kino, anknüpfend an Tradition und Gegenwart eines anti-kolonialen Kinos der Befreiung, etwas entgegengestellt werden.

Von seinen allerersten und selten gezeigten Kurzfilmen Kill Tarzan und Birth of a Nation über atemberaubende Dokumentarfilme wie Wilmington 10 - U.S.A. 10.000 und ADWA bis hin zu den kraftvoll-dramatischen Spielfilmen wie Ashes and Embers und Teza widersetzt sich Gerima den dominanten Sprachen des Kinos mit anhaltender Selbstbestimmung und entschlossen, seine eigenen Geschichten wie die seiner Vorfahren einzufordern sowie das Recht darauf, diese zu erzählen.

Da Gerimas Idee und Politik des Kino weit über die Grenzen der Filmvorführung hinausgeht und stets Publikum/Gemeinschaft und Kritiker*innen/Aktivist*innen miteinbezieht (siehe Haile Gerima: „Triangular Cinema, Breaking Toys, and Dinknesh vs. Lucy“, 1989), wird die Filmreihe im Stadtkino von Publikumsdiskussionen nach den Vorstellungen, von einem öffentlichen Vortrag Gerimas, bei dem er uns die Gelegenheit geben wird, seine selten gezeigten allerersten Filme Kill Tarzan und Birth of a Nation zu sehen, sowie von einer Podiumsdiskussion zu Filmarchiven, kolonialem Raub und anti-kolonialem Erbe, neokolonialen Zugriffspolitiken und Forderungen radikaler Restitution und Rückgabe gerahmt werden.

Biografie

Haile Gerima wurde 1946 in Gondar in Äthiopien geboren. Er wuchs unter dem Einfluss der Erzählungen und Geschichten seiner Großmutter, seiner Mutter, die Lehrerin war, und seines Vaters, eines Schriftstellers, Dramatikers und ehemaligen Widerstandskämpfers gegen den italienischen Faschismus und Kolonialismus, auf. Nach einem kurzen Aufenthalt am Creative Art Center der Haile Selassie University emigrierte Gerima 1968 in die Vereinigten Staaten von Amerika und besuchte dort die Goodman School of Drama in Chicago, bevor er an die UCLA School of Theater, Film and Television in Los Angeles wechselte und Film studierte. Während seines Studiums wurde er Teil einer Gruppe von Schwarzen, Indigenen, Chicanx, asiatischen und anderen internationalen Studierenden, die die vorherrschenden europäischen Traditionen des Filmschaffens in Frage stellten und dagegen zu rebellieren begannen.
An der UCLA drehte Gerima die beiden Kurzfilme Hour Glass (1971) und Child of Resistance (1972) – gefolgt von Bush Mama (1975), mit welchem er den Master of Fine Arts erlangte, und Harvest 3,000 Years (1975), der ihm mit dem Großen Preis des Filmfestivals von Locarno seine erste internationale Auszeichnung einbrachte.
1975 zog Haile Gerima nach Washington D.C., um an der Howard University Film zu unterrichten. Nach dem preisgekrönten Spielfilm Ashes & Embers (1982), der in den Vereinigten Staaten keinen Vertrieb fand, sowie den Dokumentarfilmen Wilmington 10 – U.S.A. 10.000 (1978) und After Winter: Sterling Brown (1985), über den Schwarzen Schriftsteller aus Washington D.C., drehte Gerima sein wohl bekanntestes Epos Sankofa (1993).
Diese weltweit von Kritiker*innen gelobte und kinematografisch anspruchsvolle Erzählung über einen Sklav*innenaufstand auf einer Zuckerrohrplantage wurde von U.S.-amerikanischen Filmverleihen ignoriert. Durch Mobilisierung aktivistischer Gruppen und unermüdliche kulturelle Basisarbeit, wandte Gerima sich direkt an die Schwarzen Communities und sorgte im ganzen Land für ausverkaufte Vorführungen in unabhängigen Kinosälen. Nach ADWA. Ein afrikanischer Sieg, drehte Gerima den Spielfilm Teza (2008), mit welchem er den Preis der Jury und den Preis des Besten Drehbuchs bei den Filmfestspielen von Venedig gewann.

Gemeinsam mit seiner Frau Shirikiana Aina, die ebenfalls Filmemacherin ist, rief Gerima die Verleihfirma Mypheduh Films und die Produktionsfirma Negodgwad Productions, die beide dem unabhängigen Schwarzen Kino gewidmet sind, ins Leben. 1996 gründete Gerima Sankofa Video, Books & Café in Washington, DC., ein Raum kulturellen und intellektuellen Lebens, der Möglichkeiten zur kollektiven Selbstdarstellung, Interaktion, Diskussion und Analyse durch Veranstaltungen wie Filmvorführungen, Buchpräsentationen, wissenschaftlichen Austausch, Künstler*innen-Gespräche und Ausstellungen bietet. Darüber hinaus produziert und vertreibt Haile Gerima weiterhin seine eigenen Filme.
Haile Gerima ist Professor Emeritus für Film an der Howard University und hält Vorträge und Workshops für alternatives Drehbuchschreiben und Regie auf der ganzen Welt. 2021 wurde er mit dem Vantage Award des Academy Museums ausgezeichnet.

Filmografie

1971 - Hour Glass
1972 - Child of Resistance
1976 - Bush Mama
1976 - Mirt Sost Shi Amit (also known as Harvest: 3,000 Years)
1978 - Wilmington 10 -- U.S.A. 10,000
1982 - Ashes and Embers
1985 - After Winter: Sterling Brown
1993 - Sankofa
1994 - Imperfect Journey
1999 - ADWA. Ein afrikanischer Sieg
2008 - Teza

Programm

Public Lecture by Haile Gerima
15.06.2022 18 Uhr
Universität für angewandte Kunst – Hörsaal 1, Oskar-Kokoschka-Platz 2, 1010 Wien

Panel Discussion with Haile Gerima
17.06.2022 17 Uhr
Akademie der bildenden Künste

Film Screenings
16.06.2022 – 19.06.2022
Stadtkino Wien

16.6. 20:15 Uhr ADWA. An African Victory (1999)

17.6. 20:00 Uhr Wilmington 10 - USA 10.000 (1979)

18.6. 20:00 Uhr Harvest 3000 Years (1975)

19.6. 20:00 Uhr Hour Glass (1971)
Ashes and Embers (1982)

Programm, Organisation, Text: Viktoria Metschl, Greg Thomas

Das Projekt wurde durch die großzügige Unterstützung des Rektorats der Universität für angewandte Kunst Wien ermöglicht in Kooperation mit dem Stadtkino Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien und Vidéodrome2 Marseille.

Besonderer Dank gilt Gerald Bast, Nanna Heidenreich, Christian Kravagna.

https://stadtkinowien.at/news/811/

Vortrag
Screening
Zeitgenössische Kunst
Bildende Kunst
Film
arts (general)
15.06.2022 (Wed)
18:00 -