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Zügel und andere Räumlichkeiten

Zur Eröffnung sprechen Sabine Kienzer und Bezirksvorsteher Markus Rumelhart. Der Künstler ist anwesend.

Klaus Pamminger
Metamorphose und Anamorphose – von der Architektur zum Körper, zur Haut, zur Skulptur

Wir bestreiten, dass eine episodenhafte, naturalistische Konstruktion der Zweck der Plastik ist, sondern ­behaupten die absolute Notwendigkeit, sich jeder Wirklichkeitsform zu bedienen, um zu den Wesenselementen der bildnerischen Sensibilität zurückzukehren (Umberto Boccioni, italienischer Maler und Verfasser des Manifestes zur ­futuristischen Malerei).

Zügel und andere Räumlichkeiten betitelt Klaus Pamminger seine Schau in der Galerie Eboran Wien und listet damit seine Wirklichkeitsformen aus Zeichnungen, Skizzen, Filmen, Fotografien und Designmöbeln. Aus den zwei- und dreidimensionalen „Modellen“ errechnet Pamminger Proportionen neu und schafft Skulpturen, deren materielle Beschaffenheit wirksam Spannung auslöst. Ein vermeintliches Paradox in Anbetracht der aus schmalen Lederstreifen hergestellten Arbeiten: Sie zeichnen sich durch Biegeschlaffheit und eine auf das notwendigste Minimum reduzierte Formensprache aus. Leder, und der damit unmittelbar einhergehende Lebensweltbezug, ist ideales Trägermedium, um Körperhaftigkeit zu evozieren. Ist das Figurative so in den Fokus gestellt, erscheinen die Objekte hybriden Wesen gleich. Weil Innen und Außen verschmelzen, werden die Figuren durchlässig.
Sie greifen in den Raum der BetrachterInnen ein und aktivieren die Galerie, wie es Pamminger mit seinen Werken tut.

Catch me Snow White bringt die Grimmsche Märchenfigur Schneewittchen mit Alfred Hitchcocks Vertigo in Zusam­menhang: So wie Schneewittchen gleich drei Mordversuche ihrer bösen Stiefmutter überlebt – einer davon wurde mit einem Lederriemen verursacht –, so lässt auch Hitchcock Madeleine wiederauferstehen. Dass die Treppe des Kirchturms aus Vertigo für Catch me Snow White Modell stand, verstärkt die zu transportierenden Inhalte verschie­denster Erkenntnisse und Wahrnehmungen, die sich zwischen den großen Themen Leben und Tod bewegen. Pamminger interessiert hier gleichermaßen die Bewegung vom Objekt zur körperlichen Form und retour. Die Übertragung architektonischer Räume – Liberty stellt mimetisch den Innenschädel ihrer Namensgeberin dar – in organisches Material suggeriert über den körperlichen Aspekt vermenschlichte Architektur.

Was für alle Reins (Zügel) gilt – sie hängen jeweils an einem Nagel an den Galeriewänden –, treibt Pamminger mit A Pair of Barstools auf die Spitze. Nicht ohne tragisch-komischen Humor erzählen die sprichwörtlich an den Nagel zu hängenden Barhocker über ihr überflüssiges Dasein während des Lockdowns aktuelles Zeitgeschehen.

Zeit ist der gemeinsame Nenner oder um einen Leitgedanken Pammingers zu zitieren: Raum ist die Ordnung des gleichzeitig Existierenden (Gottfried Wilhelm Leibniz).

Seine Beschäftigung mit dem Phänomen der simultanen Wahrnehmung, der Wiedergabe also zeitlich oder räumlich eigentlich nicht übereinstimmender Ereignisse innerhalb einer Darstellung, bespielt die Bandbreite eingesetzter Medien der komplexen Schau: Filme, Fotointarsien und Collagen. Beweglichkeit und die luftige Qualität der Präsentation, die performativ, skulptural und installativ sowie zugleich monumental ist, verweisen auf Klaus Pammingers Wesenselemente der bildnerischen Sensibilität.

(Sabine Kienzer, Februar 2022)

Eröffnung
Showing
Bildende Kunst
Film
Fotografie
arts (general)
Design
13.05.2022 (Fri) - 27.05.2022 (Fri)
19:00 -
Eboran Galerie , 1060 Wien