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XX Y X: soundsongnoisesilence

Karø Goldt — hortus (D/US 2021 | 5:45 min | HD 16:9)
Annja Krautgasser — Talszenen (A 2022 | 28:50 min | HD 16:9)
Michaela Schwentner — Personne (A 2016, 9:40 min, HD 16:9)
Tatiana Lecomte — Ein mörderischer Lärm (A/F 2009-11, 21 min, HD 16:9, fr/de UT)
Karø Goldt — silence (D 2012 | 4 min | HD 16:9)

Karø Goldt: hortus
DE / USA 2021, 6 min. Music: Timothy Shearer
This experimental photofilm is on agriculture and how we treat our environmental nature. In 2014 I started to photograph the patches of my medical herbs throughout the whole year, I was interested in how the plants changes their shapes and colours. Further I reduced the photos in the pure color means, let them move in a classic spectrometer analysis grid. The second part starts with the plan of the garden of St. Gallen and goes on with the idea of what it might look like if, after the destruction of the environment, a scientific study were made of the last evidence of a garden. hortus means it is a demarcated garden that is ideally planted and cared for. It is a piece of cultivated nature and should represent the regulated and best possible form of the entire flora. An artificial act of imagining the garden of Eden at a given time. (Karø Goldt)
http://karoegoldt.de

Annja Krautgasser: Talszenen
Es ist eine Art der „Bestandsaufnahme” einer Welt im Tal. In den Bergen, über karge Steinlandschaften, unter Tieren, an mäandernden Bächen entlang setzt sie ihren sanften Gang, ein geisterhaftes und nomadisches Umherstreifen durch eine friedvolle, puristische Natur, sich selbst genügend, ohne Zeichen menschlicher Zivilisation. Die Kamera folgt ihr, der Diala, dem übermenschlichen Wesen behutsam mit außerordentlicher Poesie.
Annja Krautgasser erzählt – basierend auf dem rätoromanischen Lied Canzun de Sontga Margriata (7 Jh. n. Chr.) – die heidnische Legende der Heiligen Margriata, die als Mann verkleidet sieben Jahre lang unerkannt unter Sennern in den Bergen lebt, bis ein Hirtenjunge zufällig ihr Geheimnis entdeckt und sie verraten möchte. Margriata bedrängt ihn mit zauberhaften Geschenken, die er wiederholt ausschlägt. Seiner Begierde zum Verrat nicht widerstehend könnend, verflucht Margriata den Hirtenbub schließlich und flieht aus dem paradiesischen Tal, das von nun an verödet und vertrocknet. (Barbara Horvath)
https://www.annjakrautgasser.net

Michaela Schwentner: Personne
personne ist eine filmische Miniatur über Seherfahrungen von Filmfiguren und des Publikums. Die Erzählstruktur des kurzen Filmes über das Schauen, den Blick, das Beobachten und Beobachtet-werden formt sich aus vagen Momenten, in denen die Grenzen von Realität und Illusion verschoben und in Frage gestellt werden.
Der Film ist eine Konstellation von Figuren und Blicken, mittels derer der Akt des Schauens weitergedacht und kammerspielartig verdichtet inszeniert wird.
Wenige, sehr reduzierte Aktionen verharren in langen, tableau-artigen Einstellungen.
Was sehen wir, wenn wir schauen? Was sehen wir, wenn wir beobachten?
Was erfahren, was wissen wir, wenn wir sehen/schauen? Was erfahren wir?
Wieviel wissen wir? Können wir uns sicher sein in unserer Wahrnehmung, die ja nur ein Teilaspekt der Wirklichkeit ist? Wir sehen ja immer nur Fragmente.
http://www.jade-enterprises.at

Tatiana Lecomte: Ein mörderischer Lärm
Die Gedenkkultur, sofern sie sich auf die Verbrechen der Nazizeit bezieht, befindet sich in einer kritischen Phase. Schon bald werden wir ohne Zeitzeugen auskommen müssen, die aus eigener Erfahrung heraus mit jüngeren Generationen in den Dialog treten können. Individuelle Leidensgeschichten werden nur mehr mittelbar, in kategorisierter und musealisierter Form abrufbar sein. Erinnerung wach zu halten, ist ein historisches, politisches und moralisches Gebot. Wie das heute und in Zukunft gelingen kann, ist eine schwierige und offene Frage. Seit einiger Zeit begleitet diese Frage die künstlerische Arbeit von Tatiana Lecomte. Gängigen Methoden der Aufarbeitung steht sie mit Skepsis gegenüber. Das „starke Bild“, der „authentische Ort“, das „entscheidende Dokument“ sind nach wie vor Hoffnungsgebiete für eine Geschichtsdarstellung, die Nachgeborenen möglichst „nahe gehen“ soll. Auch die Erzählungen eines Menschen, der selbst Furchtbares miterlebt und überlebt hat, soll nahebringen, was in immer grössere Ferne rückt. Jean-Jacques Boijentin ist ein solcher Mensch. 1920 bei Rouen im Norden Frankreichs geboren lebte er als Mechaniker im kleinen Dorf Mussidan in der Dordogne. Am 16. Januar 1944 wird der Ort als Reaktion auf die Erschiessung eines französischen Spitzels durch die Résistance von der Gestapo und der französischen Miliz umstellt. 36 Menschen werden verhaftet, darunter Jean-Jacques Boijentin und sein Vater Maurice. Sie werden in das Internierungslager Compiègne nördlich von Paris gebracht und in weiterer Folge in die Konzentrationslager Buchenwald, Mauthausen und schliesslich Gusen (Oberösterreich) deportiert, wo sie am 11. März 1944 ankommen. Maurice Boijentin wird im Lager ermordet; Jean-Jacques erlebt die Befreiung durch die amerikanische Armee am 5. Mai 1945 in Mauthausen und kann in seinen Heimatort Mussidan zurückkehren. Nach dem Krieg engagierte er sich als Vorsitzender eines Vereins zur Unterstützung heimgekehrter KZ-Häftlinge und ist bis zu seiner Pensionierung als Elektriker, Filmvorführer und Inhaber zweier Geschäfte für Feuerwerksartikel tätig. Er lebt zurzeit in einem Altersheim in der Dordogne. Das KZ Gusen II in St. Georgen an der Gusen war ein Nebenlager des KZ Mauthausen. Unter dem Namen „B8 Bergkristall“ wurden die Häftlinge zum Bau einer geheimen unterirdischen Fabrik zur Herstellung von Messerschmitt-Düsenjagdflugzeugen eingesetzt. Die Zustände im Lager waren unmenschlich, noch schlimmer die Arbeitsbedingungen unter Tage. Jean-Jacques Boijentin hat in den Stollen gearbeitet. Was er dort erlebt hat, ist Ausgangspunkt von Lecomtes Film. Die heute zugängliche Anlage lässt von den damaligen Zuständen nichts erahnen. Insbesondere die Stille ist der Künstlerin aufgefallen. Berichte Überlebender sprechen von unerträglichem Lärm, verursacht durch die schweren Maschinen, die in den Stollen zum Einsatz kamen. Lecomte macht sich filmisch „auf die Suche nach dem Lärm“. Zu diesem Zweck bewegt sich der Film weit weg vom Ort des Grauens, um Herrn Boijentin in Frankreich zu besuchen. Eine zweite Person kommt hinzu, ein junger Mann namens Julien Baissat. Die normale Rollenverteilung – der Betroffene spricht und das Gegenüber hört zu und versteht – wird aufgebrochen zugunsten einer Werkstattsituation, in der beide als Partner ihre jeweiligen Erfahrungen und Kenntnisse einbringen. Geschäftigkeit überwiegt Betroffenheit und legt einen gewissen Abstand zum Schrecken des Geschehenen. Die Verengung auf einen Teilaspekt und seinen sinnlichen Nachvollzug verändert die Perspektive: Erinnerung erscheint als Aktion, als Arbeitsprozess, als gestaltbare, aber immer schon ungenügende Annäherung an das Gewesene. Gleichzeitig eröffnen sich Zugänge abseits einer Versprachlichung, die dem Unerhörten stets etwas von seiner Schärfe nimmt. Tatiana Lecomte entzieht uns vieles von dem, was wir gemeinhin unter dem Titel Gedenkkultur erwarten. Ihr Ansatz lässt Sinn und Grenzen des Gedenkens ins Bewusstsein treten, ohne die Ereignisse, derer gedacht wird, aus dem Blick zu verlieren. Sie liefert keine fertigen Bilder, sondern Hinweise, dass wir nie aufhören dürfen, uns ein eigenes Bild zu machen. (Rolf Wienkötter)
http://tatianalecomte.com

Screening
Video
Film
arts (general)
03.05.2022 (Tue)
19:00 -
Echoraum , 1150 Wien