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Kreiskartoffel St. Marx: Ernte und Erntedankfest

Die Stadtgärtner*innen der Kreiskartoffel St.Marx laden zur gemeinschaftlichen Ernte samt Erntedankfest ein.

Elisabeth Falkinger, Stefanie Hilgarth, Christoph Schwarz, Hanna Schwarz

Ort: Kreisverkehr Schöpsstraße/Leopold-Böhm-Straße, 1030 Wien
Erreichbarkeit: U3, Gasometer

Bei unbeständigem Wetter informiert die Website www.kreiskartoffel.net über eine etwaige Absage/Verschiebung des Festes. Für das Betreten des Kreisverkehrs gelten die tagesaktuellen Coronaregeln für den Kunst-/Kulturbereich.

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Ein Kreisverkehr in Wien/St. Marx wird zum Erdäpfelacker! Das Artefakt einer autozentristischen Stadtplanung wird zu einem Symbol für urbane Lebensmittelsouveränität im Sinne einer Postwachstumsökonomie umgedeutet. Auf niederschwellige Weise kann sich die Nachbarschaft jeden Sonntag mit Blick auf eine verwaiste Parkplatzwüste eigene Erdäpfel ziehen. Im Zentrum des Kreisverkehrs befindet sich eine Skulptur aus Wassertanks, die den Schriftzug Sind im Weltkrieg trägt, gestaltet in einer dem Inhalt diametral entgegengesetzten, lieblichen Handschrift.

Im Zuge der Diskussion über notwendige gesellschaftliche Anstrengungen um dem Klimaabkommen von Paris gerecht zu werden, wurde immer wieder der Weltkriegs-Vergleich bemüht: Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz schreibt: “Die Klimakrise ist unser Dritter Weltkrieg”, Helga Kromp-Kolb forderte einen “ähnlichen gemeinsamen Kraftakt wie der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg”. Das Bild des Erdäpfelackers mitten in der Stadt ist in unserem kollektiven Gedächtnis als verzweifelte Antwort auf Lebensmittelknappheit im Weltkrieg abgespeichert. Gleichermaßen deutet Sind im Weltkrieg die anthropogene Ausbeutung der Erde in noch nie gekanntem Ausmaß als Krieg gegen den Planeten. Die dem Inhalt gegenüber seltsam harmlose Gestaltung des Schriftzugs soll einen Bruch darstellen und das Projekt von einer eindeutig aktivistischen Leseart freispielen: Raum für Ironie und Ambivalenz wird angedeutet, die Betrachterin aufgefordert, selbst zu werten. Kann mit kleinteiligen Bürgerinneninitiativen und Urban-Gardening-Projekten wirklich die Welt gerettet werden? Oder ist die Nachhaltigkeitsrevolution nur moralischer Distinktionsgewinn für die postmaterielle Avantgarde?

Im Zuge der Lockdowns wurde uns schmerzlich bewusst, dass der öffentliche Raum ungleich verteilt ist: der motorisierte Individualverkehr nimmt überproportional viel Platz in Anspruch. Die Kreiskartoffel Wien soll den Bürgerinnen ein Stück ungenutztes Brachland als Entfaltungsspielraum zurückgeben. Als Hybrid zwischen Nachbarschaftsprojekt, Kunstaktion, Sozialer Skulptur und symbolischer Geste genau dort, wo Autoverkehr toten Raum produziert und Kunst sonst nur zur Legitimation verkehrspolitischer Wachstumsdogmen zum Zuge kommt.

Sind im Weltkrieg ist allerdings nur am Sonntag zu lesen. Unter der Woche, wenn der Autoverkehr zu Diskonter und Baumarkt die Bearbeitung des Ackers aus Sicht der Verkehrssicherheit verunmöglicht, wurde eine weniger irritierende Botschaft gefordert. Werktags wird an die Skulptur eine zusätzliche Tafel geschraubt, aus Weltkrieg wird Weltmarkt. Diese behördliche Vorgabe erweitert das Projekt um eine weitere Bedeutungsebene, zeigt sie doch auf, wie gesellschaftliche Prioritäten gelagert sind. Solange der Euro rollt, darf der Verkehrsfluß nicht irritiert werden. Am Sonntag sind kritische Überlegungen in der Betonwüste aber erlaubt.

Gemeinsam sicher
Die jeweils gültigen Covid-Bestimmungen der aktuellen Öffnungsverordnung sind zu jeder Zeit einzuhalten. Folgende Punkte sind bei einer Teilnahme unbedingt zu erfüllen:

Vorlage eines negativen Tests bzw. Nachweis über Genesung oder Impfung
Einhalten des Abstandes von 1 Meter

Installation
Finissage
Architektur
Urbanismus
arts (general)
17.10.2021 (Sun)
12:30 -