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Viennale Kinematografie: Der weibliche Blick

DER WEIBLICHE BLICK. DIE WIEDERENTDECKUNG DER FILME VON LOUISE KOLM-FLECK
Filmarchiv Austria Retrospektive zur Viennale 2019 vom 27. Oktober bis 1. November 2019

In einer von Anbeginn männlich dominierten Branche etabliert die Wiener Filmpionierin Louise Kolm-Fleck (1873–1950), Tochter des Besitzers des Wiener Stadtpanoptikums Louis Veltée, erstmals eine österreichische Filmproduktion, gründet mit der Vitafilm den damals größten Atelierkomplex Europas, schreibt zumindest zwei Dutzend Drehbücher und führt weit über 100 Mal Regie. Im Rahmen der Viennale widmet sich das Filmarchiv Austria dem Leben der ersten österreichischen Regisseurin, das sich wie eine Parabel auf die österreichische Filmgeschichte liest: der rasante Aufstieg des Stummfilms, die goldene Zeit in den frühen 1920er-Jahren, der Wechsel zum Tonfilm, die Vertreibung österreichischer Filmschaffender durch die Nationalsozialisten, das Vergessenwerden nach 1945.

In der vom Filmarchiv Austria kuratierten ersten Werkschau wird das bisher weitgehend unbekannte Schaffen Louise Flecks aus der Spätphase des Stummfilms gezeigt. Die meisten dieser Produktionen galten bislang als verschollen. In einer internationalen Recherche ist es gelungen, vornehmlich in Frankreich, aber auch in Dänemark, der Schweiz und Deutschland verborgene Schätze zu heben und in Neurestaurierungen verfügbar zu machen.

Das Außergewöhnliche an diesen für die Berliner Hegewald-Film hergestellten Produktionen ist die Fokussierung auf das Schicksal der Protagonistinnen. Sie zeigen eine spezifisch weibliche Handschrift, die als der originäre Beitrag Louise Kolm-Flecks gewertet werden kann. Dies kündigt sich schon in frühen Werken wie etwa DIE AHNFRAU (1919) an, deren filmische Umsetzung die Sicht der weiblichen Akteurinnen weit stärker herausarbeitet als das Grillparzer’sche Original. Nie aber kommt diese Hinwendung zu spezifisch weiblich konnotierten Themen in ihren gesellschaftlichen Implikationen so prononciert zum Ausdruck wie in der Blütezeit der Weimarer Republik.

Mit Filmen über Vergewaltigung, Abtreibung oder Impotenz greift Louise Kolm-Fleck kontroversielle Fragen auf, die sie mit einer radikalen Kompromisslosigkeit beantwortet. Das Aufzeigen der begrenzten Handlungsspielräume ihrer Protagonistinnen in einer von Männern dominierten Gesellschaft ist von erstaunlicher Modernität. Und auch in formaler Hinsicht ist die damals bereits über 50-Jährige auf der Höhe der Zeit. Sie versteht ihre Geschichten meisterhaft umzusetzen und beherrscht die von der filmischen Avantgarde entwickelten Stilelemente souverän. Die oft entfesselte Kamera, der Einsatz von Überblendungen und Großaufnahmen oder ein herausragendes American Lighting sind nicht bloß ornamentale Bravour, sondern dienen einem ökonomischen Erzählen. Das Werk einer beeindruckenden Filmkünstlerin, die es neu zu bewerten gilt.

Die Retrospektive wird von Anna Dobringer und Nikolaus Wostry kuratiert, unter Mithilfe von Uli Jürgens. Zu den Filmen mit Live-Musikbegleitung finden jeweils Einführungen statt.

Zum Thema hat Uli Jürgens das Buch »Louise, Licht und Schatten« herausgebracht, das die faszinierende Biografie der Filmkünstlerin Louise-Kolm Fleck näher beleuchtet.

Termine:
27.10., 19:00 MÄDCHEN AM KREUZ (D 1929)
Livemusik von Inou Ki Endo
28.10., 19:00 FRAUENARZT DR. SCHÄFER (D1928)
Livemusik von Wien Diesel
29.10., 19:00 DAS RECHT AUF LIEBE (D 1929)
Livemusik von Gischt
30.10., 19:00 DIE WARSCHAUER ZITADELLE (D 1930)
Livemusik von Rojin Sharafi
31.10., 19:00 DER ORLOW (D 1927)
Livemusik von Heidi Fial
1.11., 16:30 DER MEINEIDBAUER (D 1926)
Livemusik von Elaine Loebenstein

Tickets: Der Kartenverkauf beginnt am 19.10., 10:00
Es gelten die Preise der Viennale.

Musikperformance
Ausstellung
Video
Film
arts (general)
27.10.2019 (Sun) - 01.11.2019 (Fri)
19:00 -