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Betty Tompkins. Girl on girl

Curated by Angela Stief

„You know, if I take out the heads and hands and the feet, all of the signifiers, what’s left is a beautiful abstract group of forms“, sagt Betty Tompkins über ihre provokanten Kunstwerke, die Pornografie ästhetisieren, und beschreiben, wie aus realen Körpern Formen werden. Aus Close-Ups von Geschlechtsteilen und -akten macht sie Blow-Ups – Gemälde in Grautönen, und proklamiert mittels diesen sexuell expliziten Arbeiten die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks. Die US-amerikanische Künstlerin, die 1945 in Washington geboren wurde, setzt sich mit lustbesetzten, erotisierten, diskriminierten, zensurierten, konstruierten und selbstbestimmten Körperbildern auseinander. Tompkins Gemälde und Zeichnungen, in deren Mittelpunkt das weibliche Geschlecht, Penetration und Masturbation stehen, sind an Radikalität kaum zu überbieten: Sie malt Fuck Paintings, Cunt Paintings und Kiss Paintings als riesige Grisailles. Als unmittelbare Vorlagen dienen der Künstlerin, die seit den 1970er-Jahren ihr Atelier in SoHo, New York, hat, pornografische Abbildungen aus Magazinen und seit einiger Zeit auch Bildmaterial aus dem Internet. Sie verfremdet die konkreten Inhalte und übersetzt sie in bemerkenswerte Darstellungen, die zwischen Figuration und Abstraktion changieren. Mittels einer ungewöhnlichen Explizitheit in der Kunst entfalten sie sowohl visuelle Unmittelbarkeit, als sie auch durch die Reduktion von Farbigkeit und Bildinformation eine Relativierung ihres affirmativen Charakters erzielen. Es geht in diesem Werk um weibliche Identitätsbildung und um gender troubles, die Diskursivierung des Geschlechts, sowie die Fluidität von eigenen, fremden und zugeschriebenen Rollenmodellen. Tompkins entwirft Bilder, die sich mit der Lust, die sie erzeugen, auch beschäftigen. Konsequent lotet sie seit Jahrzehnten die kontrovers diskutierte Grenzlinie zwischen Intimität und Öffentlichkeit aus.
1969 startete Betty Tompkins ihr außergewöhnliches Lebensprojekt, für das sich bis in die 00er-Jahre kaum jemand interessieren sollte. Sie entwickelte in kritischer Auseinandersetzung mit den Großformaten des männlich dominierten Abstrakten Expressionismus eine visuelle Formensprache, die sich an den heroischen Gesten ihrer Zeitgenossen abarbeitete. Als junge Künstlerin ließ sie sich nicht von verunglimpfenden Argumenten beirren, ertrug Diskrimierung und sozialen Widerstand: sie sei zu jung, eine Frau, die andere Aufgaben hätte als Kunst zu machen, und während ihrer Studienzeit prophezeite ihr ein Professor sogar, dass sie es nur auf dem Rücken liegend zu etwas bringen würde; auch Händler und Kuratoren zeigten damals wenig Interesse an ihrer Tätigkeit. Einerseits war Tompkins von der gesellschaftlichen Diffamierung ihrer künstlerischen Ambition und den Genderungerechtigkeiten, mit denen sie konfrontiert war, geschockt, andererseits genoss sie den Freiraum, der ihr ohne Erwartungen von außen und kunstbetrieblichen Anforderungen ermöglichte, ein höchst authentisches Oeuvre zu entwickeln. Im gesellschaftlichen Off erschloss sie sich A Room of One’s Own.
Tompkins Arbeiten sind eine vehemente Antwort auf die weibliche Diskriminierung und die Misogynie der damaligen Zeit – ein wütender Kommentar auf das Unbehagen der Geschlechter. Missverständnisse gab es auch seitens der Feministinnen, die damals starke Vorbehalte gegenüber Werken mit solch sensiblen Inhalten hatten. Zensurfälle am Zoll wie etwa in Frankreich und Japan inspirierten die Künstlerin schließlich zu Schrift-Bildern, für die sie beispielsweise Stempel mit der Aufschrift ,Censored‘ nutzte. Sie antizipieren das Interesse der Künstlerin an Sprache und den Reaktionen ihres sozialen Umfeldes. In einem neueren Projekt hat Tompkins den aktuellen Status Quo der Frau abgefragt und forderte ausschließlich Frauen auf, ihr Worte und Phrasen über Frauen zu senden, die dann Eingang in Textarbeiten fanden. Am häufigsten fielen die Worte ,slut‘, ,bitch‘ und ,mother’.
Angela Stief, Kuratorin und Kunstpublizistin

Helmut’s Art Club präsentiert die erste Einzelausstellung von Betty Tompkins in Wien. Wichtige Ausstellungsteilnahmen der Künstlerin sind die Biennale von Lyon (kuratiert von Bob Nickas, 2003), WACK! Art and the Feminist Revolution (kuratiert von Connie Butler, 2007), elles@centrepompidou im Centre Georges Pompidou (Paris, 2009), WOMEN Words, Phrases, and Stories: 1,000 Paintings by Betty Tompkins in The FLAG Art Foundation (New York, 2016).

Eröffnung
arts (general)
Bildende Kunst
24.10.2019 (Thu) - 21.12.2019 (Sat)
18:00 -
Helmuts Art Club , 1040 Wien