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Zwischen Metropolis und Arkadien - Orte zwischen Traum und Realität 1850-1950

Die Romantik kannte Orte der Sehnsucht, erträumte Landidyllen, aber auch ideale Städte, wie sie z.B. im Werk Adalbert Stifters beschrieben werden. Im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert führte die zunehmende Industrialisierung zu einer Verarmung der Landbevölkerung und in der Folge zur ersten großen Landfluchtbewegung. Das Anwachsen der Großstädte lässt neben dem wohlhabendem Bürgertum ein Lumpenproletariat entstehen. Kunst und Literatur reagieren auf die neuen Lebensumstände, die in Form der künstlerischen Bohème - die Not zur Tugend machend - auch gefeiert werden. Allerdings erleben zahlreiche Künstler, vor allem jene, die nach 1900 aus ländlichen Gebieten in die explosionsartig anwachsenden Städte ziehen, auch eine Art Schock und reagieren auf sehr unterschiedliche Weise.

Der Schriftsteller Alfred Döblin und der Maler und Zeichner George Grosz sind die bitterbösen Chronisten der von Korruption und Exaltiertheit brodelnden 4-Millionenstadt Berlin während der zwanziger Jahre, das letzterer hämisch “unser beschmiertes Paradies” nennt. Die Futuristen finden schon zu einer Zeit, als Grosz noch expressiv-realistisch zeichnet, teils in Herwart Waldens Sturm-Galerie ein Dach, um ihre im Amalgam zwischen Kubismus, Kinetismus und Dada angesiedelten Technologie- und Untergangsfantasien zu feiern. Der Russe Kasimir Malewitsch hält in seiner programmatischen Schrift “Die gegenstandslose Welt” fest, ein Künstler, der in der Stadt lebe, müsse zwangsläufig Themen der Technik aufgreifen, während ein Künstler am Land eben immer Kühe male. Malewitsch geht sogar so weit zu behaupten, daß der Künstler der Kühe in der Stadt unglücklich werden müsse, was es zu verhindern gelte. Die Brücke-Künstler, die aus dem eher beschaulichen Dresden nach Berlin übersiedelt waren, entwickeln einen eigenen Großstadtstil, bevor der Ausbruch des ersten Weltkrieges alles durcheinanderwirbelt. Ernst Ludwig Kirchner setzt sich in die Schweizer Alpen ab, um fortan hier sein Umfeld zu verewigen. Schon zuvor hatten die Münchner ‘Neo-Romantiker’ des “Blauen Reiter” Franz Marc und August Macke, bevor sie ins Feld zogen um dort jung zu sterben, eine mehr der Utopie als der Realität geschuldete Vision der Natur zum Thema ihrer Bilder gemacht.

In der sich auch über das Ende des Krieges ausdehnenden Zeit des deutschen (und seiner Spielart des österreichischen) Expressionismus bleibt die Großstadt und ihre zunehmende Dekadenz während der Weltwirtschaftskrise ein Hauptthema. In Amerika wird die politisch dunkle Zeit der Prohibition während der zwanziger und dreißiger Jahre Thema des städtischen Expressionismus. Im Gegensatz dazu ist die künstlerische Darstellung expressiver und utopisch erträumter Landschaften als Rückzugsgebiet für den sowohl finanziell als auch geistig ausgebluteten Großstadtmenschen nicht nur für die Zwischenkriegszeit symptomatisch. Einige Künstler, allen voran Paul Gauguin, hatten noch vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges ihre Heimatstädte verlassen und als Ausdruck von Zivilisationsmüdigkeit ihr Glück im fernen Süden gesucht. Sie hielten ihre auf die Zurückgebliebenen exotisch wirkenden Eindrücke von fremden Völkern, Landschaften und Tieren in teils realistischer, öfter aber noch in expressiv bis surrealistisch überhöhter Weise fest.

Nach 1918 konnte die Beschäftigung mit Landschaft Ausdruck für Resignation oder auch Neuaufbruch sein. Im Laufe der zwanziger Jahre erfahren dann im Zuge der “Neuen Sachlichkeit” sowohl Stadt- als auch Landschaftsvision bei manchen Künstlern wie Georg Schrimpf oder Gerd Arntz eine Läuterung, fast bis zur Geometrisierung, wobei der Mensch zuerst zum Piktogramm mutiert um dann ganz zu verschwinden. Dies kann mit trockener Ironie oder großem Ernst verbunden sein. Mit Anbruch der Naziherrschaft wird jeglicher Expressionismus a priori mit dem Stempel “entartet” versehen. Doch noch während der alles verschlingenden Katastrophe des 2. Weltkrieges betreiben einige der “entarteten” Künstler, die das Exil im Heimatland der Auswanderung vorzogen, expressive Landschaftsdarstellung als eine Art von Eskapismus, und ein paar Schüler der ersten Expressionisten-Generation bieten Anfang der fünfziger Jahre als Landschaftsgestalter und missachtete Vertreter der Figuration der nun alles beherrschenden abstrakten Kunst von resigniert bis trotzig die Stirn.

Eröffnung
Urbanismus
Bildende Kunst
arts (general)
22.09.2017 (Fri) - 22.12.2017 (Fri)
19:00 -
Galerie Hochdruck , 1160 Wien Galerie Hochdruck, Neudeggergasse 8/2, 1080 Wien