rewind.esel.at
Wiener Festwochen: Letztes Wochenende

PERFORMEUM

18 Uhr
Haptic Field

In Haptic Field, einer partizipatorischen, immersiven Installation von Chris Salter und TeZ, werden wir Teil eines Experiments, bei dem Tastsinn, Sehen (jenseits der Augen) und Hören zu einer überwältigenden Erfahrung verschmelzen. Die Besucher*innen tragen vom chinesischen Mode-Label JNBY entworfene Overalls und Anoraks, in welche Sensoren und vibrierende Antriebselemente eingearbeitet sind.
Eine Kapuze verschleiert die Sicht fast vollständig. In diesem Outfit betreten die Besucher*innen ein halluzinatorisches, an einen Traum erinnerndes Environment, in dem nichts so ist, wie es scheint. Ganz auf sich gestellt und blind werden die Teilnehmer*innen nur von den durch die Kleidung wandernden rätselhaften Mustern der Vibrationen und dem schemenhaften Schimmern zwischen Licht und Dunkelheit geleitet. Man kann nichts mehr sehen, hat kein Gefühl für den Raum, der einen umgibt, und findet sich in einem wirbelnden Schmelztiegel verschiedenster Sinneserfahrungen wieder, wobei die uns gewohnte Fixierung auf das Sehen in den Hintergrund tritt.

Haptic Field schafft einen Raum für die Erfahrung und Reflexion über taktile Wahrnehmung, einen unserer am wenigsten erforschten Sinne. Die Teilnehmer*innen erleben eine beunruhigende und zugleich angenehm sinnliche Erfahrung, die über die Grenzen ihres eigenen Körpers hinausgeht.

19:30 Uhr
Congo Na Chanel

Elisabeth Bakambamba Tambwes neue Produktion Congo Na Chanel ist eine Performance und eine Videoinstallation, die in Form einer Collage dokumentarisches und fiktionales Material vermischt und einen vielfältigen, verunsichernden Blick auf die Demokratische Republik Kongo eröffnet. Gleich einem Körper, der vor den Augen aller missbraucht wird und jeder Würde beraubt ist, wird der Kongo seit Jahrhunderten ausgebeutet: von der grausamen Herrschaft durch das belgische Kolonialregime von Leopold II. über Diktaturen und Bürgerkriege im 20. Jahrhundert bis zu den von den Begehrlichkeiten multinationaler Konzerne befeuerten kriegerischen Auseinandersetzungen um seltene Rohstoffe in der Gegenwart. Mittels Green Screen-Manipulation tritt das Publikum durch die Oberfläche in die Tiefe der Bilder ein und ist dazu eingeladen, einen virtuellen Weg durch eine ambivalente Flut von Informationen zu suchen.

Congo Na Chanel ist ein Tanz aus manipulierten Zeichen, Klängen und Körpern, eine Reise in ein über die Jahrhunderte ausgeblutetes Land, ein Trip ins Herz der Finsternis mit einem Hauch von Chanel.

Geboren in Kinshasa und aufgewachsen in Frankreich, studierte Elisabeth Bakambamba Tambwe Bildende Kunst an der Ecole des Beaux-Arts Tourcoing in Frankreich. Sie lebt seit zehn Jahren in Wien und hat in dieser Zeit eine starke choreografische Handschrift entwickelt, die von ihrer Ausbildung zur bildenden Künstlerin geprägt ist. Ihre Performances finden oftmals in einem installativ gestalteten Raum statt, der durch die Performance vom Ausstellungsraum zum Bühnenraum mutiert. Ihre gegenwärtige choreografische Arbeit setzt sich stark mit der Frage der Identitätsbildung im Zeitalter der Massenproduktion auseinander.

21:00 Uhr
Macaquinhos

»Alles wird Loch«, beschrieb der Queer-Theoretiker Paul B. Preciado im “Kontrasexuellen Manifest” einst die Dekonstruktion des Geschlechts und die Befreiung vom Phallus.
Und so gehen die neun Performer*innen des brasilianischen Künstleraggregats Macaquinhos (Äffchen) noch weiter und setzen beim Nord-Süd-Gefälle des eigenen Körpers an. Der Anus als körperliche Metapher für den Süden, gesellschaftlich delegitimiert und ausgegrenzt, dem normativen Norden durch Kolonialismus, Kapitalismus und Patriarchat unterworfen. Macaquinhos hinterfragt Wissensproduktion, Deutungshoheit und nicht zuletzt die soziale Konstruktion von Körper und Kunst. Keine andere Performance löste in Brasilien so heftige Reaktionen aus. Und das ist kein Wunder, räumt sie doch gründlich mit Klischees wie der vielgelobten Freizügigkeit und der sinnlichen Körperlichkeit der Brasilianer*innen auf. In der Performance wird die Enttabuisierung des Körpers wörtlich genommen und mit choreografischen Mitteln umgesetzt. In unterschiedlich choreografierten Reigen-Konstellationen erzeugen die Performer*innen einen assoziativen Sog, der unsere Wahrnehmung beeinflusst der das Publikum immer wieder in ungewohnte Situationen versetzt. Kurzum: Es geht um den Anus. Die demokratischste und tabuisierteste Körperöffnung von allen. Die Performance ist eine Hommage an Schönheit und Freiheit, fernab von einer industriellen Porno-Ästhetik. In einer gewalttätigen Welt provozieren Macaquinhos durch taktische Softness, die Totalität ihrer radikalen Verletzlichkeit strotzt vor choreografierter Körperpoesie. Das Kollektiv Macaquinhos negiert Hierarchien und produziert eine Vielfalt von unten! Dekolonisation de Luxe!

Das Kollektiv Macaquinhos besteht aus Künstler*innen mit sehr heterogenem Hintergrund. Einige Mitglieder haben eine Tanz-Karriere in anderen Compagnien, andere sind aufstrebende Fotograf*innen oder Drag-Queens. Durch die aktuelle politische Situation in Brasilien ist die zukünftige Arbeit des Kollektivs gefährdet.

***

AKADEMIE DES VERLERNENS IM PERFORMEUM

Night School: Open Class

Zum Abschluss der Night School, die seit März in verschiedenen Formaten versucht hat, ?zu lernen, von unten zu lernen? (Gayatri Spivak) und sich in herrschende Wissensregime einzumischen, findet am 16. Juni eine Lecture der feministischen Theoretikerin, Autorin und Aktivistin Silvia Federici im Performeum statt:

OPEN CLASS NIGHT SCHOOL

In dem Vortrag wird es um die Politik der Commons gehen, die die ausbeuterische kapitalistische Logik angreift. Silvia Federici fragt, warum die Idee der Commons in engagierten politischen Kontexten eine so große Bedeutung erlangt hat und wie sie in verschiedenen sozialen Bewegungen interpretiert wird. 
 
Federici, die seit den 1970er Jahren radikale Kritik an der Allianz von Patriarchat, Kapitalismus, Kolonialismus und Gewalt betreibt, macht dabei klar: ohne Neu-Bewertung und -Organisation von reproduktiver Arbeit (von Care bis Sex Work), die primär von Frauen geleistet wird, ist keine neue Politik der Commons denkbar, ohne feministische Revolution gar keine Revolution. 
 
Der Vortrag wird auf Englisch gehalten.
  1. Juni, 18 Uhr

Migrantpoliticization

Die aktuellen Migrationsbewegungen stellen die Aufnahmegesellschaften vor eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Im Kontext der Akademie des Verlernens wird der Themenkomplex an drei Tagen in unterschiedlichen Formaten analysiert, diskutiert und erforscht. Dabei wird zusätzlich mit neuen integrativen Formen experimentiert.

Stop producing art, make business – Praxisseminar
Prof*X Alexander Nikolic

Wie man die Karriereleiter scheinbar rückwärts geht, aber dabei doch vorwärts kommt, und andere Häppchen aus der subversiven Trickkiste werden in diesem Praxisseminar zu Kunst und Ökonomie vermittelt. Exemplarisch werden die Schritte von Kunst zu Business und zurück wie auch dazwischen nachgezeichnet und so Strategien offengelegt. Das dreitägige Seminar vermittelt neben subversiver Praxis auch Einblicke in alternative Modelle ökonomischer Selbsthilfe und eröffnet weitere individuelle systemische Unterwanderungsmöglichkeiten.

Termine: 15./16./17. Juni, 18 Uhr
Sprache: Deutsch

On Migrant Cosmopolitanism – Eine Einführung
Prof*X Ewelina Benbenek

Einführung in die Gedankenwelt des migrantischen Kosmopolitanismus – angereichert mit Best Practice-Beispielen und einem eindringlichen Plädoyer für antihegemoniale Kulturproduktion.

Termin: 15.Juni, 19 Uhr
Sprache: Englisch

On Artistic Citizenship – Lecture
Prof*X Anas Aboura

Der Begriff ?Artistic Citizenship? des Theaterwissenschaftlers Randy Martin erfährt gegenwärtig eine neue politische Aufladung. Trotz globaler Kunstmärkte sind viele Künstler*innen vom internationalen Produzieren ausgeschlossen. Oftmals finden sie sich statt auf europäischen Bühnen im Sicherheitsbereich internationaler Flughäfen wieder. Anas Aboura entwickelt mit On Artistic Citizenship ein Praxismodell, das Lösungen formuliert und so sein utopisches Potenzial freisetzt.

Termin: 16. Juni, 19 Uhr
Sprache: Englisch

Solidarische Institutionen? – Talk
Prof*X Anas Aboura,
Prof*X Ewelina Benbenek
Moderation: Nadine Jessen (Wiener Festwochen, Migrantpolitan)

Die Metapher der Sanctuary Cities bzw Solidarity Cities (ein ethischer Kodex, den Städte unterzeichnen und sich verpflichten, z. B. die medizinische Versorgung aller Bürger*innen ohne Papiere zu gewährleisten) geistert bereits seit längerer Zeit durch den politischen Diskurs. Solidarity Cities erforschen und eröffnen Strukturen des zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraumes in einer von Ausschluss geprägten Gegenwart. Gemeinsam mit Anas Aboura und Ewelina Benbenek wird nun das Modell der Solidarity Cities auf Institutionen übertragen: der Startschuss und Auftakt für eine europaweite Kampagne.

Termin: 17. Juni, 19 Uhr
Sprache: Englisch

Bei allen Veranstaltungen begrenzte Platzanzahl – first come, first served!
Performance
Darstellende Kunst
arts (general)
15.06.2017 (Thu) - 18.06.2017 (Sun)
18:00 -
Performeum, Laxenburger Straße 2a, 1100 Wien