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Maximilian Prüfer: Flug

Kann man durch die Beobachtung von Insekten weltliche Fragen beantworten? Dieser Thematik widmet sich Maximilian Prüfer mit seiner kommenden Ausstellung Flug in der Galerie Lisabird Contemporary und findet mit einem innovativen, einzigartigen Druckverfahren Antworten.

Erkenntnisse unserer Vorgeschichte und der Geschichte der Welt sind im Wesentlichen durch Abdrücke, Spuren und Überreste erforscht worden. Ein jedes Lebewesen hinterlässt an einem Ort durch Bewegung Spuren und liefert damit Informationen, die Fragen der Vergangenheit und unserer eigenen Entwicklung beantworten können. Aus solchen Forschungen lässt sich nicht bloß eine Geschichtsrekonstruktion ableiten, sondern es lassen sich Organisationsmuster erkennen, die vielleicht schon seit Millionen von Jahren auf der Erde existieren und damit auch bis zu einem gewissen Grad auf den Menschen und unsere Gesellschaft übertragbar sind. Instinkte wie der Kampf um?s Überleben sowie die Schaffung von Zufluchtsorten sind nur einige Aspekte, die der Mensch mit anderen Lebewesen teilt. Doch unterliegen diese Informationen und Spuren teilweise einer Codierung, denn neben sichtbaren Fußabdrücken gibt es auch Materialablagerungen und temporäre Duftspuren, die erst durch Spezialverfahren entschlüsselt werden. Es kann aber auch schlicht eine Frage der Größe werden: Denn wie sieht der Fußabdruck einer Ameise aus? Welche Spuren hinterlässt der Flügelschlag einer Wespe? Inwieweit lassen sich aus den Beobachtungen von primitiven Lebensformen weltliche Fragen beantworten? Kann etwa der Kadaver eines Vogels Denkansätze in der Betrachtung des Todes liefern?

Ausgehend von solchen Fragestellungen hat Maximilian Prüfer fünf Jahre lang an der Entwicklung eines einzigartigen und innovativen Druckverfahrens gearbeitet: die Naturantypie. Mittels einer hochsensiblen Druckerfarbe ist es Prüfer gelungen, bereits mit kleinsten Berührungsflächen die Farbe durch Bewegung zu verdrängen, statt sie nur vom Bild zu subtrahieren. Eine Methode, die sogar Fußabdrücke und Fährten von Ameisen sowie die Flügelschläge von vorbeifliegenden Nachtfaltern dokumentieren kann. Dabei ist die Dokumentation der Spuren nicht das übergeordnete Ziel dieser Experimente, noch eine empirische Aufbereitung der daraus folgenden Informationen. Vielmehr soll die Konzeption und die Entstehung dieser Prozesse innerhalb eines für den Betrachter zweidimensionalen Bildes komprimiert, sichtbar und erlebbar werden sowie Denkansätze liefern. Prüfer beantwortet weltliche Fragen mit natürlichen Phänomenen: wie etwa mit dem bereits erwähnten Vogelkadaver. Im obersten Bildbereich der Arbeit In (2015) ist der Abdruck von Flügeln und dem dazugehörigen Körper sichtbar, drumherum verschiedene Spuren und Strukturen. Während sich einige sofort als Katzenpfoten identifizieren lassen, sind andere helle Bereiche zunächst schwer zuzuordnen. Sie stammen von Schnecken und Fliegen, die sich dem Kadaver genähert und sich von ihm genährt haben. Denn ein Kadaver zieht unterschiedliche Tiere innerhalb von kürzester Zeit an und wird damit zur Nahrung von anderen und auch zum Nährboden für die Vermehrung anderer Arten.

Das bildschaffende Moment, das an die Bewegung und damit in der Regel an die menschliche Anatomie gebunden ist, wird somit übertragen. Das Ungeziefer wird zum Werkzeug von Prüfer, wodurch die Bildkonzeption nur bis zu einem gewissen Grad steuerbar ist. Mittels von Lockmitteln und Provokationen kann er Lenkungen und Eingrenzungen vornehmen sowie Zeiträume definieren: der menschliche Fuß wird - als Eindringling in das Territorium von Ameisen - wie ein Feind attackiert (Feind, 2015) oder Wespen werden durch Zuckerwürfel geködert (Zucker 2015). Durch die Naturantypie ist es Prüfer möglich aus dem scheinbaren Chaos Muster oder geordnete Strukturen entstehen zu lassen, die auch an den Körperbau der jeweiligen Art gebunden sind. Die Selbstorganisation der Lebewesen und ihre Reaktion auf Einflüsse oder Objekte wird zum bildschaffenden Faktor. Sowie die menschliche Gesellschaft sich in Gruppen organisiert, die ein gleiches Ziel verfolgen, werden auch hier einzelne Kräfte gebündelt. Die Masse wird organisiert durch das, was die Masse allgemein will. In der Regel. Denn auch im Tierreich scheint es einen gewissen Egoismus oder Überlebenssinn zu geben: Die Spuren, die bei Zucker (2015) rund um die Zuckerwürfel entstehen sind der Beweis. Zuckerhaltige Nahrung dient allein der Wespe und kann nicht für die Verfütterung im Nest und folglich nicht für die Gruppe verwendet werden. Und dass Zucker bis zu einem gewissen Grad süchtig machen kann, beweist unsere Gesellschaft jeden Tag aufs Neue. (Text: Sabrina Möller)

Eröffnung
Bildende Kunst
arts (general)
28.10.2015 (Wed) - 06.12.2015 (Sun)
19:00 -
Brucknerstraße 8 , 1040 Wien Lisabird Contemporary, Brucknerstraße 8, 1040 Wien