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MAK Design Salon #03: Robert Stadler. Back in 5 min

Momente des Dazwischen in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel

Mit Back in 5 min inszeniert Robert Stadler für den MAK DESIGN SALON #03 eine spannungsgeladene Gegenüberstellung von historischem und zeitgenössischem Raumwirken und Design. Ähnlich einem Regisseur interpretiert der in Wien geborene und in Paris lebende Designer die Empire- und Biedermeier-Kulisse der MAK-Expositur Geymüllerschlössel nach intensivem Studium des Ortes neu. Einprägsame Rauminstallationen mischen das traditionsreiche Mobiliar mit neu geschaffenen Objekten und spielen auf vielschichtige Weise mit dem einzigartigen Charakter der einstigen Sommerresidenz.

Stadlers Raumerzählungen erinnern an den französischen Nouvelle-Vague-Film, eine vor allem von Jean-Luc Godard und François Truffaut geprägte Version des AutorInnenkinos, welche die persönliche Handschrift und das Gesamtwerk der KünstlerInnen propagiert. Die bürgerliche Wohnwelt des Biedermeier, die im Gegensatz zu aristokratischen Villen des 18. Jahrhunderts mehrere Funktionen wie Essen, Lesen und Musizieren in einem Raum vereinte, lässt Stadler in neu arrangierten Raumsituationen, jeweils in unverkennbarer gestalterischer Handschrift, mit der Gegenwart interagieren.

Dem bürgerlichen Mobiliar der Sommerresidenz setzt er simple Möbeltypen ländlicher Stuben wie Hocker oder Bänke entgegen, „die mit ihrer Multifunktionalität, Reduziertheit und Mobilität als Vorgänger der Biedermeiermöbel interpretiert werden können“, so der Designer. Als „Arbeitsmöbel“ lesen sich etwa die mit müheloser Leichtigkeit in die Szenerie platzierten Hocker Aymeric (2014) und die Sitzbänke Cora und Dora (2014). Zeitgemäß aus einem Aluminiumwabensandwich gefertigt, scheinen sie ins Landleben ebenso zu passen wie ins Biedermeier oder in die Jetztzeit.

An magische Tarnumhänge erinnert die vom Geymüllerschlössel inspirierte Kollektion von Textilentwürfen Fantome (2014), die Stadler gemeinsam mit dem traditionsreichen österreichischen Textilunternehmen Backhausen entwickelte. Die im Digitaldruck erzeugten Stoffe imitieren das Muster der in den jeweiligen Räumen vorhandenen Parkett-, Teppich- oder Steinböden. „In den Mustern sind Verzerrungen erkennbar, wie man sie von Google Earth kennt, wenn ein Bild noch nicht korrekt aufgeladen ist. Es entsteht ein Freeze-Effekt, der den endlosen Zeitraum der Abwesenheit im jetzt unbewohnten Geymüllerschlössel thematisiert“, beschreibt Stadler die textilen Überwürfe.

Die im Geymüllerschlössel ausgestellte Sammlung Franz Sobek, 160 Alt-Wiener Uhren von erlesener Qualität aus der Zeit zwischen 1750 und der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kontextualisiert Stadler mit den LCD-Uhren 24h Linda und 24h Tanya (2005–2008). Die Wandbildschirme, die Porträts von Pornodarstellerinnen zeigen, lassen sich auf den ersten Blick nicht als Uhren erkennen. Erst bei genauerer Betrachtung ist das Auge der Porträtierten als Minutenzeiger und ein Muttermal als Stundenzeiger zu erkennen. Dem Begriff „Arbeitszeit“ will Stadler, in Anlehnung an die Errichtung des Geymüllerschlössel 1808 als Sommerresidenz im Stil eines Lustgebäudes, eine neue Konnotation verleihen.

Stadlers vielschichtige Szenografie für Back in 5 min versetzt die BesucherInnen in einen Moment des Dazwischen, als wäre der Ort gerade im Begriff, sich neu zu konfigurieren. Ein Raum, der mittels Stroboskoplampen blitzartig ausgeleuchtet wird und nur als „Guckkasten“ zu besichtigen ist, vertieft diese vom Designer intendierte Wirkung.

„Robert Stadler zählt zu einer neuen Generation von Designerinnen und Designern, die durch ihre starke inhaltliche und formale Autorenschaft – die Disziplinengrenzen ignorierend – nicht Gefahr laufen, selbstreferenziell im System Kunst oder Industrie zu verharren“, so Thomas Geisler, Kurator und Kustode MAK-Sammlung Design, zur diesjährigen Künstlerauswahl für den MAK DESIGN SALON #03. Stadler folgt auf die Designinterventionen von Studio Formafantasma (The Stranger Within, 14. September–1. Dezember 2013) und Michael Anastassiades (Time and Again, 12. Mai–25. November 2012).

Die Intervention Back in 5 min bietet am 28. September um 11:00 Uhr Anlass für eine Matinee im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK. Robert Stadler, die Londoner Autorin und Kuratorin Emily King und Jana Scholze, Kuratorin für zeitgenössische Möbel und Design am Victoria and Albert Museum in London, diskutieren unter der Moderation von Thomas Geisler.

Der MAK DESIGN SALON wird auch im Jahr 2014 durch das DOROTHEUM großzügig unterstützt.

Robert Stadler
Subtile Raumwirkungen und das Verschieben von Zitaten sind kennzeichnend für Robert Stadlers spartenübergreifendes Arbeiten. Stadler wurde 1966 in Wien geboren und studierte Design am IED – Istituto Europeo di Design in Mailand und ENSCI – Les Ateliers: École Nationale Supérieur de Création Industrielle in Paris. Er war Mitbegründer der Gruppe RADI Designers (1992–2008) und Assistent von Ron Arad an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (1994–1997). Seit 2000 lebt und arbeitet Stadler in Paris und wird von der Carpenters Workshop Gallery sowie der Galerie Triple V vertreten. Pointiert und spielerisch stellt er die Grenzen von Kunst, Architektur und Design in Frage, wie aktuell in der von ihm selbst kuratierten Ausstellung QUIZ (bis 12. Oktober 2014) in der Galerie Poirel in Nancy. Seine Arbeiten sind in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, u. a. in der Fondation Cartier, dem Fonds national d’art contemporain, den Les Arts Décoratifs in Paris und im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst. Die Académie des César, Dior, Beaumarly, Louis Vuitton, Hermès, Nissan, Ricard und Thonet zählen zu seinen Kunden. Im Jahr 2012 erhielt er den renommierten französischen Prix Liliane Bettencourt Pour l’Intelligence de la Main.

Installation
Eröffnung
arts (general)
Design
09.09.2014 (Tue) - 30.11.2014 (Sun)
19:00 -
MAK-Expositur Geymüllerschlössel , 1180 Wien Wien MAK-Expositur Geymüllerschlössel, Pötzleinsdorferstraße 102, 1180 Wien