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Marko Lulic: Psychogeography

Marko Lulic behandelt in seiner Arbeit eine Vielzahl von Themen und visualisiert diese in verschiedensten Medien. Zwei der Kernthemen, mit denen er sich auseinandersetzt, sind ganz gewiss der öffentliche Raum und die Erinnerung. Auch in der aktuellen Ausstellung der Gabriele Senn Galerie, Psychogeography, spielen sie eine wichtige Rolle. Der Künstler verbindet hier Aspekte wie Psyche, Geographie und Urbanistik, die seit dem sogenannten spatial turn nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Wissenschaft vermehrt im Zusammenhang mit dem Räumlichen untersucht wurden.
Lulic, der vor allem in den Medien Objekt, Video und Installation tätig ist, thematisiert oft den Körper in seinem Werk. So ist dieser auch in den aktuellen Arbeiten ein bedeutender Faktor, ebenso das Performative, welches einen wichtigen Bestandteil des Entstehungsprozesses darstellt. In diesem Fall ist es der Gang durch die Stadt, oder vielmehr die Erforschung dieser. Bei Lulics aktuellem Projekt geht es nicht nur um irgendeine Route, sondern um einen sehr persönlichen Weg. Es geht um eine Spur der Erinnerung, die in die Gegenwart führt. Der Künstler schreitet seine Biografie ab, die mit dieser Stadt – Wien – verbunden ist, indem er die Wohnhäuser, in denen er im Laufe seines bisherigen Lebens gewohnt hat, aufsucht. Es entsteht eine Topologie, die sich aus der Erinnerung speist. Da der Prozess hier jedoch über das Aufsuchen hinausgeht und in eine körperliche Befragung des Ortes übergeht, kommt noch eine Ebene dazu, die den Gedächtnisraum bricht. Die Methode für diesen Akt der Untersuchung des Raums, die Lulic hier wählt, ist die des Abtastens, in einer künstlerischen, einer grafischen Form – der Frottage. Eine Technik, die durchaus als aus der Mode gekommen bezeichnet werden kann und der vielleicht sogar der Touch des Verstaubten anhaftet. Doch gerade deshalb wird sie von Lulic hier aufgegriffen und in einen performativen Akt integriert. Es wird nicht nur die Stadt untersucht, sondern auch im selben Moment die künstlerische Methode, die für den Prozess eingesetzt wird. Frottage kommt vom Wort “reiben“, das Performative und Intime ist inhärent, dennoch ist aber auch ein Moment der Distanz da – das Papier befindet sich zwischen dem/der PerformerIn und dem frottierten Objekt, in diesem Fall der Hausmauer. Das Ergebnis, das hier ausgestellt wird, Frottagen in Kombination mit Fotografien, welche die Performance und den Ort dokumentieren, verweist auf eine Topologie. Es ist jedoch keine buchstäbliche mental map, die Lulic hier präsentiert, denn diese kann der/die BetrachterIn nur durch in Beziehung setzen der Arbeiten für sich selbst skizzieren und damit durch die eigene Wahrnehmung und Interpretation abermals brechen. Die Arbeiten sind keine geographische Karte, nein, viel eher Dokumente einer Spurensuche – Abdrücke und Abzüge – sie ergeben zusammen die Koordinaten eines sehr spezifischen Sozialen Raums.

Lulic arbeitet derzeit an mehreren sehr unterschiedlichen Projekten, durch die er sich auf verschiedenste Weise mit dem öffentlichen Raum Wiens beschäftigt. Die Ausstellung Psychogeography ist das erste von diesen Projekten, das 2013 präsentiert wird.

Der Begriff Psychogeography, auf den sich der Titel der aktuellen Ausstellung bezieht, wurde von Guy Debord geprägt. Auch wenn der Vorgang, die Stadt zu erkunden, bei Lulic nicht exakt der Methode der Situationisten entspricht, so ähnelt er ihr doch, durch die Betonung des Emotionalen und Individuellen, im Prozess der Kartographierung.

Der Künstler, der in seinen vorangegangen Einzelausstellungen in der Gabriele Senn Galerie durch große Objekte und Installationen auf sich aufmerksam machte, konzentriert sich in Psychogeography auf die hier gezeigten Arbeiten, die Frottage und dokumentarisches Foto kombinieren. Er kreiert auch da absichtlich und bewusst durch die Wahl des Mediums einen Kontrast zu früheren Projekten. Die Graphik – in diesem Fall die Frottage – ist hier eingebettet in ein konzeptuelles Projekt, an dessen Anfang, das Performative steht - in Form eines Spaziergangs. Nicht unbedingt der Flaneur ist es, den Lulic hier als Rolle wählt, sondern eher der Archäologe. Der Archäologe, der nicht nur die Schichten der Stadt untersucht, sondern auch die, der eigenen Psyche. Hier wäre aber vielleicht auch zu erwähnen, dass Lulic in erster Linie Künstler ist - ein Künstler, der mit Rollen spielt und dem die Selbstironie nicht fremd ist.

Installation
Eröffnung
Bildende Kunst
arts (general)
02.05.2013 (Thu) - 15.06.2013 (Sat)
18:00 -