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Vertonung Novi Film – Schönheit, Lebendigkeit und Durcheinander

Am Mittwoch, den 30. Jänner 2013 findet um 19.00 Uhr nun die vierte Vertonung der Yu-Avantgarde im Tonkino Saalbau statt. Anhand der ausgesuchten Experimentalfilmwerke des größtenteils unbekannten und inzwischen verstorbenen kroatischen Filmemachers Vlado Kristl, untersuchen wir erneut die mannigfaltige Materie NOVI FILM – Jugoslawische Avantgarde 1961-1973.

Reihe: Vertonung NOVI FILM – Schönheit, Lebendigkeit und Durcheinander. Vlado Kristls „Zerstörung der Systeme“

Verglichen mit Schlöndorff, Herzog, Wenders und Kluge, seine ersten Kurzfilme zeugen von feiner satirischer Metapher, beispielloser Technikregel und jener Energie, die man nur einem jungen Eisenstein zuordnen könnte. Vlado Kristl (1923-2004), Absolvent der Zagreber Kunstakademie, gehörte zum kompromisslosesten Kreis der Zagreber Schule des Animationsfilms. 1963 verließ er unwiderruflich Jugoslawien, nachdem sein erster Film „Der General und der ernste Mensch“ verboten, und beschlagnahmt wurde. Im Umfeld des Neuen Deutschen Films übernahm er, in München niedergelassen, die Rolle des Provokateurs, der gegen jegliche Form der Verwertbarkeit seiner künstlerischen Arbeit Front machte. Man „duldete“ ihn, zumal seine dissonanten Kunstpartituren bei den Festivals immer wieder gerne gesichtet, und diskutiert wurden. Als Maler, Zeichner und Literat torpedierte er zeitlebens die Konventionen des Kulturbetriebs. Sein authentisch nonkonformistischer Kommunikationsapparat ist genau jener eines beginnenden Kafkas, dasselbe Instrument, das später von Deleuze und Guattari kreuz und quer analysiert wurde.

Programm 30.01.2013 - 19 Uhr: Schönheit, Lebendigkeit und Durcheinander. Vlado Kristls „Zerstörung der Systeme“

-DON KIHOT (Don Qichotte)| 1960 |11‘| Zeichentrickfilm nach dem gleichnamigen Roman von Miguel de Cervantes
-ŽAGRENSKA KOŽA (Das Chagrinleder) | 1960 |10‘|Zeichentrickfilm nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Honoré de Balzac
-GENERAL I RESNI ?LOVEC (Der General und der ernste Mensch )| 1962 |10‘| Der erste zensurierte Realfilm. Hauptpreis Filmfestival in Oberhausen
-ARME LEUTE | 1963 |8‘|
-MADELEINE, MADELEINE| 1963|11’|
-PROMETHEUS | 1966 |10‘|
-DIE UTOPEN | 1967 |10‘|

Projektionsbeginn: 20:05 Uhr

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Kurze Begriffserklärung für Wissenshungrige:

Während der 1950er und Anfang der 1960er Jahre hatten die jugoslawischen Filmemacher mit drei wichtigen Umständen umzugehen:
Erstens, der kontinuierliche Impuls des Modernismus im Kunstmilieu bzw. das damit verbundene romantische Konzept der „autonomen Kunst„. Zweitens, die Überzeugung, dass Kunst eine immanente, hochbedeutende, soziale und aufklärerische Rolle spielt sowie jene eines gesellschaftlichen Bewusstseins, womit mitunter die Frage beantwortet wird, warum die gesellschaftskritischen Kunstwerke favorisiert wurden. Drittens, der Einfluss von ebendiesem eigenartigen Korrektiv des Gesellschaftspolitischen. Obwohl die sozialistische Doktrin gegenüber „engagierten Kunstwerken“ wohlgesinnt war, war es dennoch wünschenswert, dass die Kritik in Richtung Vergangenheit d.h. gegen die „Feinde des Sozialismus“ sowie gegen den kapitalistischen Westen, nicht aber gegen die zeitgenössischen Erscheinungsformen des sozialistischen Alltags gerichtet ist. Wurden diese Imperative nicht befolgt, hatte man mit repressiven Folgen seitens Parteiführer und offiziellen Staatskritikern zu rechnen (Zensur, Vertreibung, Verhaftung). Deshalb waren der Gesellschaftskritik von sozialistischer Wirklichkeit geneigte Künstler gezwungen, jegliche Schilderungen und Kontemplation der Wirklichkeit anhand hoher Allegorie- und Stilisierungsmethoden anzustellen. Das Demonstrativ-Ästhetische, das Modernistische, das Experimentelle sowie das Satirisch-Metaphorische gingen bei den Kontrollapparaten oft als „nichtspezifisch“ durch und boten folglich kein klares Ziel für politische Angriffe dar.

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Vertonung durch:
Markus Steinkellner: Guitar, Electronics
Bernhard Höchtel: Synthesizer
Robert Pockfuß: Guitar
Leon Leder: Computer

Projiziert von: Paul Krimmer

Kuratiert von: Petra Popovic

Um freiwillige Spenden für die Musiker und Organisierenden wird dankenderweise gleich zu Beginn erbeten.

Ort: Tonkino Saalbau, Flachgasse 25. im 15ten Wiener Bezirk (U3 Johnstraße)

Screening
Video
Film
arts (general)
30.01.2013 (Wed)
19:00 -
Tonkino Saalbau , 1150 Wien