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Patrick Baumüller

Ohne Marie geht auch hier nichts!

Patrick Baumüller begibt sich auf Spurensuche in eine Welt der Verstrickungen.
Der Mensch mit seinen Wünschen, Hoffnungen, aber auch Schwächen und Fehlbesetzungen
in einem zunehmend unpersönlichen Lebensumfeld, rückt ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Immer wieder gerne an der Grenze zwischen Kunst, Kommerz und Politik entlangdriftend (siehe Projekte wie z.B. Die Wursthaberer, W.E.T.O., Rothkrebschen Mäzenbier, Speakers´ Corner), scannt Baumüller die Oberflächen unserer Gesellschaft ab und überträgt seine Wahrnehmungen in verblüffend einfacher und spannender Weise in den Kunstkontext und Ausstellungsraum. Dort angelangt und feilgeboten, kann der Besucher wie bei einer öffentlichen archäologischen Ausgrabung dem Künstler über die Schulter schauen und verstrickt sich selbst in verdrängte Begebenheiten, alte Erinnerungen und flüchtig aufgenommene Ungereimtheiten aus dem zwischenmenschlichen Beziehungsgeflecht.
Der bei einem TV-Talk aus dem Fernsehen aufgeschnappte Spruch: „Ohne Marie geht auch hier nichts!” erklärt Baumüller zu seinem Leitmotiv und wird in dieser Ausstellung unterschiedlichen Interpretationen unterzogen.
Es regiert keineswegs ein überstrapazierter Pathos, noch ein moral-missionarischer Auftrag, sondern die Euphorie u.a. mit Techniken aus dem „alltäglichen Werken und Handarbeiten“ zu jonglieren, sowie gefundene Versatzstücke aus dem Taumel der Verbrauchs- und Überflussgesellschaft herauszulösen und den Objekten nochmals ein (kunstgeschichtlich anberaumtes) Leben einzuhauchen.
Im Zentrum der Galerie findet sich ein Dachausschnitt mit Kaminöffnungen. Das Dach beherbergt Wohneinheiten (intime Rückzugsräume) in denen Bedürfnisse und Leidenschaften in ständigem Wechselspiel ihre Bühne finden. Gespräche und Geräusche dringen durch den Schlot ins Freie.
Spinnentiere – eine irrationale Horrorvision der westlichen Industrieländer – sind aus dem Gebälk ans Licht gekommen und lauschen dem Ausstellungsbetrieb.
Ein Fadenbild versucht die Leerstelle menschlicher Reichtumsbestrebungen darzustellen – dabei wird nur der Umriss des Luxusartikels nachgeformt.
Der Oberflächlichkeit des Glückspielbetriebs wird in Form einer fast identischen Kopie eines Gambling-Rooms ein “Schandmal” gesetzt: Die auswechselbare “Grenz-Architektur” vielerorts installierter Spielhölleneingänge wird als Bildfläche betrachtet. Das Zusammenspiel von Form und Farbe tendiert ins Absurde, weil hier Funktion der einzig bestimmende Faktor bei der Gestaltung ist; form follows function in seiner puristischsten Variante.
In einer verhängnisvoll nahe angelegten Makrofotografie kommt ein abgeklärter Dornenkaktus zu Wort und zitiert Marie Antoinette: „Ich habe Angst, mich zu langweilen”, was in Zukunft als Leitspruch für die konsumorientierte Marktwirtschaft zu verstehen sein wird. – So gesehen geht ohne Marie bald wirklich nichts mehr.

Ausstellung
Zeitgenössische Kunst
Bildende Kunst
arts (general)
27.03.2018 (Tue)
19:00 -
Galerie Michaela Stock , 1020 Wien Galerie Michaela Stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien