rewind.esel.at
Leonardo, Abend XI
Verletzungen / Verletzlichkeit

Psychoanalytischer Großgruppendialog -
Leonardo. Zirkel für psychoanalytische Kulturkritik

mit Greta Lippauer, Peter Moeschl, Florian Fossel, Rainer Gross, Beate Hofstadler, Ulrike Kadi und Sama Maani.

Donnerstag, 27. Juni um 19 Uhr
Bibliothek der Psychoanalyse im Sigmund Freud Museum
Anmeldung erforderlich

Verletzungen schmerzen. Sie verursachen mehr als ein Unbehagen – bei den einen, die sie erleiden und bei den anderen, die sie zufügen. Die Verletzlichkeit von Menschen, Rechten und Natur hat in den vergangenen Jahrzehnten erhöhte Beachtung erlangt. Verstörende Erfahrungen der Entmenschlichung in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, eine wachsende Aufmerksamkeit für ausgrenzende Muster unseres Denkens und Handelns wie auch die drohende Entgleisung des Weltklimas haben dazu beigetragen, verletzbare Strukturen stärker kenntlich zu machen. Verletzlichkeit ist dabei zu einem vorrangigen Kriterium von Menschlichkeit geworden.

Mit seinem Buch Ganz unten konnte Günter Walraff als vermeintlicher türkischer Mann bei seinen Leser:innen in den 1980er Jahren Abscheu, Empörung, vielleicht Mitleid über den entwürdigenden Umgang mit sogenannten Gastarbeiter:innen erregen. Wie andere Angehörige unterprivilegierter Klassen kamen die Betroffenen auf diesem Weg aber kaum in den Genuss gesellschaftlicher Anerkennung und Wirkmacht. Inzwischen ist Verletzlichkeit zu einem festen theoretischen Bestandteil von Machtkämpfen geworden. In jüngster Zeit ist es an manchen Orten gerade die (tatsächliche oder vermeintliche) Zugehörigkeit zu einer unterdrückten, marginalisierten und insofern verletzten gesellschaftlichen Gruppe, die in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zählen soll. „Stark von unten“ lautet die Devise. Verletzlichkeit wird dabei mit besonderem Prestige und symbolischem Kapital verknüpft. Zu Recht?

Der Ablauf des Abends sieht eine kurze Vorstellung von „Leonardo. Zirkel für psychoanalytische Kulturkritik“ und Impulse von Greta Lippauer und Peter Moeschl vor. Es folgen 60 Minuten freie Assoziation der Teilnehmer:innen und daran anschließend die Zusammenfassung der Leitmotive des Großgruppendialogs.

Greta Lippauer, Psychoanalytikerin i.A.u.S. der WPV/IPA. Studium der Deutschen Philologie und Philosophie an der Universität Wien. Berufliche Erfahrungen im Sozialbereich, insbesondere in der persönlichen Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Autismus und in einem Wohnheim für Menschen aus dem Maßnahmenvollzug. Veröffentlichungen von literarischen Texten und Arbeitserfahrungen im Kulturbetrieb. Theoretisch beschäftigt sie sich derzeit mit Rhythmus und Trieb in der Lyrik.

Peter Moeschl, Chirurg und Kulturtheoretiker, war Univ.-Prof. an der Med. Uni Wien und Vorstand der 2. Chir. Abt. KA Rudolfstiftung Wien. Arbeitet und publiziert zu gesellschafts- und kulturpolitischen Themen, im Besonderen zu Fragen der Biopolitik und Demokratietheorie, sowie zu sozialrelevanten Aspekten der strukturalen Psychoanalyse.U.a.: Privatisierte Demokratie. Zur Umkodierung des Politischen. Turia + Kant. 2015; „Narzissmus – eine politische Kategorie?“ In: Texte 37/4 (2017), S 39-49.

Rainer Danzinger (✝), Psychoanalytiker, Gruppenpsychoanalytiker, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Univ.-Prof. für Psychiatrie an der Medizinischen Universität Graz und Maler.

Florian Fossel, Psychoanalytiker und Gruppenanalytiker in freier Praxis. Ehemaliger Leiter der Fachsektion Gruppenpsychoanalyse im ÖAGG. Veranstalter des Mittwoch-Salons im Café Korb.

Rainer Gross, Psychiater und Psychoanalytiker. Nach 35 Jahren Tätigkeit in der Akutpsychiatrie jetzt nur noch in privater Praxis in Wien.

Beate Hofstadler, Psychoanalytikerin(WAP/IPA), Sozialwissenschaftliche Forschungstätigkeiten, Lehraufträge und Publikationen zu Qualitative Sozialforschung, Psychoanalyse und Film.

Ulrike Kadi, Psychoanalytikerin (WAP/IPA), Philosophiewissenschafterin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin an der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien und in freier Praxis.

Sama Maani, Psychoanalytiker, Psychiater und Schriftsteller. Publikationen (u.a.): Warum wir Linke über den Islam nicht reden können (Essayband, 2019), Žižek in Teheran (Roman, 2021).

Leonardo. Zirkel für psychoanalytische Kulturkritik

Leonardo, ein Diskussionsforum in Form einer Großgruppe, hat sich die Aufgabe gestellt, den Dialog zwischen Psychoanalytiker:innen, Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und weiteren aufgeschlossen, interessierten Personen zu gesellschaftsrelevanten, kulturkritischen sowie sozialpolitischen Fragen zu fördern.

Die Veranstaltungsreihe findet vierteljährlich im Wiener Sigmund Freud Museum statt. Nach kurzen Eröffnungsstatements geladener Gäste wird das Publikum eingeladen, sich frei assoziativ in der Gruppe zum jeweiligen Thema auszutauschen. Abschließend begeben wir uns in eine moderierte Diskussion, um gemeinsam den assoziativen Prozess zu reflektieren und vertiefend in das Thema des Abends einzutauchen.

Leonardo ist eine Initiative von Rainer Danziger (✝), Florian Fossel, Rainer Gross, Beate Hofstadler, Ulrike Kadi und Sama Maani in Kooperation mit dem Sigmund Freud Museum.

Diskussion
Theorie
27.06.2024 (Thu)
19:00 -