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Die Autobiografie von Jedermensch

“Die Autobiografie von Jedermensch”
Ein literarisches Projekt und ein paar Videos von Victor Halb

Jeder Trottel schreibt ja heutzutage eine Autobiografie. Da wollte
Victor Halb nicht hintanstehen. Blöd war nur, dass sein Leben reichlich
unspektakulär verlaufen war. Gut behütet war er aufgewachsen in klein-
bis bildungsbürgerlichem Milieu, hatte niemals einen Krieg miterleben
müssen und keine Diktatur, keine Not erfahren, keinen Hunger, kein
Elend. Was hätte er also erzählen können aus diesem seinem
durchschnittlichen Leben, was von allgemeinem Interesse wäre und nicht
schon hundertmal anderswo aufgezeichnet stand?
Und dann kam ihm die Idee, dass er genau dies zum zentralen Thema seiner
Autobiografie machen konnte: dass alles, was er erlebt hatte, mit
Sicherheit schon irgendwo in den unübersehbaren Sturzfluten
autobiografischer Literatur aufgezeichnet stand. Wenn er nur gründlich
suchen würde, war nun sein Ansatz, dann sollte es doch möglich sein,
dass er seine Autobiografie würde schreiben könnte, ausschließlich
zusammenkompiliert aus Passagen aus den Autobiografien anderer Leute …

Im ersten Teil wird Victor Halb ein paar Proben geben aus dem ersten
Band seiner “Autobiografie von Jedermensch”, der im vergangenen Februar
erschienen ist. Mit einem reinen Collagieren von Fremdtexten - das hatte
sich schnell gezeigt - war es dabei letztlich nicht getan. Dies hätte so
ausgesehen, als hätte sich da einer nur mit fremden Federn schmücken
wollen. Einem reinen Collagieren von Fremdtexten hätte die persönliche
Glaubwürdigkeit gefehlt. Die ist aber ein unabdingbares Kriterium jeder
Autobiografie. Ohne sie kann man sich die Arbeit auch gleich schenken.
Zum Ausklang des ersten Teils holt sich Victor Halb Videounterstützung:
In gepflegt progressiven Kreisen wie den seinen sollte eine
Selbstpositionierung zum Beispiel immer auch beinhalten: eine
selbstkritische (und hoffentlich bzw. notgedrungen auch selbstironische)
Klassenanalyse. “Problembezirk” - eine Video-Botschaft aus dem kleinen
Bürgertum.
Im zweiten Teil gibt Victor Halb einen Aus- und Einblick: Wie wird es
jetzt weitergehen mit seiner “Autobiografie von Jedermensch”? Im zweiten
Band wird es zum Beispiel auch gehen um die sog. “Schlüsselerlebnisse”
in der Jugend: Was hat uns zu dem gemacht, was wir sind? Eine kleine
Querlese durch einschlägige Stellen in der autobiografischen Literatur
wird zeigen, dass sich da alles finden lässt von den ergreifendsten
Schilderungen solch prägender Ereignisse bis zum plumpest verlogenen
Rechtfertigungssermon, mit dem da manchmal auch ziemliche Arschlöcher
und Menschenfeinde zu verklären suchen, warum sie solche Menschenfeinde
und Arschlöcher hatten werden müssen. Von solchen Erlebnissen mag es zum
Beispiel auch abhängen - und damit schließt sich der Kreis -, wie wir
uns im weiteren Leben begreifen und verhalten; ob wir Mitgefühl zeigen
auch mit allen anderen Menschen auf der Welt, oder ob sich einer im
Gegenteil zuvörderst als Wolf unter Wölfen sieht, in einem einsamen
Kampf stehend für den eigenen Vorteil gegen alle anderen. Victor Halbs
“Autobiografie von Jedermensch” ist natürlich ein klares Statement für
den ersteren Standpunkt: Ein Hohelied auf die menschliche Fähigkeit zur
Empathie und Plädoyer für weltweite Solidarität. Dass er mit seiner
Einverleibung verschiedenster autobiografischer Werke in das eigene in
jenem gewissen, momentan grassierenden, identitätspolitischen Diskurs
auch in Fettnäpfe tritt (Stichwort “kulturelle Appropriation”), ist
gewollt, und war wohl auch eh nicht zu vermeiden …
Zum Abschluss wird es noch ein Video geben, eine Uraufführung. Der ca.
viertelstündige Film ist noch in Arbeit und wird sich drehen um die
alten (veralteten?) Medien der individuellen und kollektiven
Selbstfindung, Selbstvergewisserung, Selbstdarstellung, also Bücher,
Super-8-Familienfilme, Fotoalben, und die zeitgenössisch neuen, sprich:
die Selbstpräsentation in den sozialen Netzwerken, im Vergleich.

Eintritt: Spende

Screening
Video
Literatur
07.07.2024 (Sun)
19:30 -